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Selbstliquidation als japanische familiäre Überlebensstrategie

aus: Lohoff, Ernst; Trenkle, Norbert; Wölflingseder Maria; Lewed, Karl-Heinz (Hg): Dead Men Working. Gebrauchsanweisungen zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs, Münster 2004, S. 283 -284

Von der Zurichtung zur Hinrichtung VI

von Maria Wölflingseder

In Japan ticken die Uhren anders. Vor allem die Lebensuhren. In Japan, dem Land des traditionellen Harakiri, im Land von Karoshi (dem plötzlichen Herztod durch Überarbeitung) und im Land von zahllosen Schülerselbsttötungen. Gegen diese lassen sich nun immer mehr Schulen versichern. Versichern gegen die Kosten der Prozesse, die Eltern gegen die Schulleitung anstrengen. Zwischen März 1999 und März 2000 sind 163 Jugendliche wegen brutaler Quälereien (Ljime) durch ihre Mitschüler in den Freitod gegangen. Diese Grausamkeiten reichen von Herumstoßen über Erpressung von Geld bis hin zu gefährlichen Misshandlungen mit Messern. Opfer sind zumeist schwache, sensible oder schüchterne Schüler, die in der japanischen Leistungsgesellschaft als Sonderlinge gelten. (www.people.freenet.de/nipponsm/) [1]

Da verwundert es nicht, wenn auch die Folgen von Arbeitslosigkeit in Japan immer öfter durch Selbstliquidation zu lösen versucht werden.

»Die Fibel des perfekten Selbstmord steht in Nippon in der Bestsellerliste. Die japanische Gesellschaft hat keinen Platz für Arbeitslosigkeit, Selbstzweifel und Verzweiflung. Vor allem die Seelsorgedienste, die Telefonhotlines zur Suizidverhinderung unterhalten, erleben die Kausalitätskette Arbeitslosigkeit-Selbstmord Tag für Tag. ›Ich möchte nicht mehr leben, seit ich meinen Job verloren habe‹, bekannte ein Anrufer. ›Meine Frau akzeptiert das und sagt, ich könne zu Hause im Bett eine Überdosis Schlaftabletten nehmen, wenn ich mich selbst umbringen möchte.‹ Die Beraterin Sumiko Kitagawa steht vor allem kleinen Angestellten moralisch bei. Sie sind durch hohe Hausbaukredite und Bildungskosten für die Kinder oft hoffnungslos verschuldet und rechnen nun ihre Existenz gegen eine mögliche Lebensversicherung auf, mit der sich die Familie über Wasser halten könnte. Die Konfliktberaterin weist die Anrufer darauf hin, dass Japans Lebensversicherer angesichts der Rekordzahlen nicht mehr wie früher unproblematisch nach 12 Monaten, sondern erst nach zwei oder drei Jahren oder für Selbstmord überhaupt nicht mehr zahlen.« (www.couchblog.de/ [2] couchblog/archives/2003/04/nippon_suicide.php, zitiert nach Stuttgarter Zeitung, 10. Oktober 2002).


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