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Die Abwicklung des Kapitalismus – Emanzipation im Krisenzeitalter

Vortrag von Ernst Lohoff

Nicht nur der Kapitalismus steckt heute in einer fundamentalen Krise, sondern auch der Gedanke der Befreiung. Das neoliberale Glücksversprechen, das Ende des 20. Jahrhunderts noch das gesellschaftliche Klima prägte, hat sich zwar gründlich blamiert, das kommt aber in erster Linie reaktionären Kräften, die rassistische, kulturalistische oder religionistische Neogemeinschaftsideologien propagieren, zu Gute. Gerade angesichts der Krise durchdringt der Zwang, als isoliertes Konkurrenzsubjekt funktionieren zu müssen, das Alltagsleben mehr denn je und droht jede kollektive emanzipatorische Praxis schon im Ansatz zu ersticken. Die aus der Aufstiegsgeschichte der Warengesellschaft überkommenen Befreiungskonzepte, etwa das Klassenkampfdenken, taugen nicht für die historischen Aufgaben, vor denen eine antikapitalistische Bewegung heute steht. Sie liefern weder eine Antwort auf die Vielfachkrise des kapitalistischen Weltsystems noch bieten sie Orientierung im notwendigen Kampf um vom Konkurrenzirrsinn befreite Räume.

Hätte es noch eines Beweises bedurft, warum das emanzipative Ziel dringend neu bestimmt werden muss, der Protestzyklus, der nach dem Krisenschub 2009 viele Länder erfasste, hat ihn geliefert. Ob „arabischer Frühling“, oder die Protestbewegungen in Griechenland und der Ukraine, überall die gleiche ernüchternde Verlaufsform. Angesichts massiver Verschlechterung der Lebensbedingungen und angesichts einer autoritärer Krisenverwaltung flammten heftige Proteste auf, die aber wieder in sich zusammenfallen und in denen oft reaktionäre Strömungen die Oberhand gewinnen. Der emanzipative Impuls verpufft, weil die Protestbewegungen nicht darüber hinauskommen, Lösungen auf dem zerfallenden Boden von Wert, Arbeit und staatlicher Regulation zu suchen.

Zunächst einmal hat die Leitfrage der Aufstiegsphase des warenproduzierenden Weltsystems, die Frage der Verfügungsgewalt über den Warenreichtum und dessen Verteilung ausgedient. Der Standpunkt der Emanzipation ist heute vielmehr der Standpunkt der Parteinahme für den sinnlich-stofflichen Reichtums gegen dessen Zwangsverwandlung in Warenreichtum. Unter diesem Vorzeichen geführt, verschmelzen der Kampf gegen die ökologische Zerstörung und der Kampf gegen wirtschaftliche Verelendung, die heute in Widerspruch zueinander zu stehen scheinen, zu einem Kampf. Und auch die Frage des Verhältnisses von Emanzipation auf der einen Seite und Politik und Staatlichkeit auf der anderen Seite ist neu zu denken. Das Zeitalter des Staates als „ideellen Gesamtkapitalisten“, der zugleich die Existenzbedingungen der Menschen sichert, ist längst im Auslaufen begriffen. Im Krisenzeitalter verschmelzen entweder Staat und Wirtschaft zu einem politisch-ökonomischen Komplex, der nur das Überleben von Verwertungsinseln organisiert oder es kommt zu einer emanzipativen Rücknahme des Staates in die Gesellschaft.

Der Vortrag von Ernst Lohoff kann hier [1]gehört werden.
Eine Sammlung aller Vorträge der Veranstaltungsreihe findet sich hier [2].


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