28.12.2004 

Von Menschen und Schafen

Karl-Heinz Lewed

Über Menschenrecht und nationalstaatlichen Zerfall

Tier- und Menschenrecht

Es war nur eine kurze Meldung über eine Migration der etwas anderen Art: 50.000 Schafe auf einem australischen Frachter suchten im vergangenen Jahr in einem der Anrainerstaaten des Persischen Golfs „Asyl“, nachdem Saudi-Arabien, der eigentliche Bestimmungsort der Schafe, wegen Seuchenverdachts das Löschen der Ladung verweigert hatte. Durch das lange Umherirren waren Tausende Tiere schon eingegangen. Daraufhin protestierten verzweifelte TierrechtsaktivistInnen, teils in Ketten, gegen die „inhumanen“ Tiertransporte. Sogar die australische Regierung – sonst eher bekannt für ihren harten Umgang mit Flüchtlingen – bemühte sich um eine Aufnahme in der Region. Dass dieser Vorfall überhaupt publik geworden ist, hängt mit den Ereignissen um das Frachtschiff „Tampa“ im Jahre 2001 zusammen. Damals wies Australien die an Bord befindlichen und zuvor aus Seenot geborgenen afghanischen Menschen-Flüchtlinge trotz des Protests von Menschrechtsorganisationen kurzerhand ab. Irrlichternde Schafe einerseits, asylsuchende Menschen andererseits: Unfreiwillig aber nicht zufällig wirft die Koinzidenz dieser beiden „humanitären“ Katastrophen Licht in einen dunklen Zusammenhang gesellschaftlicher Verhältnisse. Wie kommt es und was bedeutet es, dass Menschen aus staatlich und ökonomisch zerfallenden Weltregionen wie Afghanistan den gleichen rechtlichen Status erhalten wie Tiere, dass das Menschenrecht gewissermaßen auf das Schaf gekommen ist?1

Recht und Arbeit im Zerfall

Hannah Arendt hat in ihrer Studie „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ auf das äußerst prekäre Verhältnis zwischen den grundlegenden Rechten als „Mensch überhaupt“ und dem staatlichen Souverän aufmerksam gemacht. Historisch bezog sich ihre Analyse des rechtlichen Ein- und Ausschlusses auf die nationalstaatliche Formierung in Südosteuropa in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Im Westen, d.h. im Zentrum der kapitalistischen Entwicklung, ging mit der Durchsetzung der Warengesellschaft eine langsame kulturelle Homogenisierung einher. Anders in den Regionen Osteuropas. Durch die nachholenden Modernisierung und die rasch sich vollziehende Bildung von national homogenen Staatsvölkern folgte der Ausschluss großer Bevölkerungsteile. Diesen Menschen versagte man die Annerkennung als Angehörige eines Staatsvolks, so dass sie zwangsläufig den Status oder Nichtstatus von Staaten- bzw. Rechtlosen innehatten. Ein knappes Jahrhundert später hat sich die Situation umgekehrt: Nicht mehr der Ausdehnungsprozess des Systems der abstrakten Arbeit und der mit ihm einhergehenden nationalstaatlichen Formierung führt zur Exklusion aus einem nationalen Gefüge. Den Hintergrund der aktuellen Ausschlussprozesse bildet vielmehr die basale Krise ökonomischer Verwertung: immer weniger Arbeitskraft kann im Sinne produktiver Verausgabung in den Produktionsprozess des weltweit agierenden Kapitals integriert werden. Infolge dessen werden immer mehr Gebiete aus den Verwertungszusammenhängen der globalen Märkte ausgeschlossen und mutieren im entgrenzten Konkurrenzkampf zu Verliererregionen. Damit wird ein doppelter und in sich zusammenhängender Prozess des Ausschlusses für die Einzelnen in den betroffenen Regionen wirksam: Einerseits fallen sie aus den globalisierten Verwertungsketten betriebswirtschaftlicher Vernutzung von abstrakter Arbeit heraus und andererseits erodiert der von gelungener Verwertung abhängige nationalstaatliche Bezugsrahmen. Diese Entwicklung stellt fortwährend, auf immer höherer Stufenleiter, anomische Zustände her, in denen sich die Einzelnen als die von Arendt beschriebenen „Menschen überhaupt“ wiederfinden.

Das „Menschsein“ im Recht

„Der Begriff der Menschenrechte brach (…) in der Tat in dem Augenblick zusammen, wo Menschen sich wirklich nur noch auf sie und auf keine national garantierten Rechte mehr berufen konnten. Sobald alle anderen gesellschaftlichen und politischen Qualitäten verloren waren, entsprang dem bloßen Menschsein keinerlei Recht mehr. Vor der bloßen Nacktheit des Menschseins hat die Welt keinerlei Ehrfurcht empfunden“ (Arendt 2001, S. 619, Hervorh. von mir, K. L.). Mit dem „Menschen überhaupt“ oder der „nackten Existenz“ verweist Hannah Arendt auf eine grundlegende konstitutive Ebene bürgerlicher Subjektivität.2
Die Reduktion auf das „bloße Leben“ ist dabei kein Spezifikum von Staaten- oder Rechtlosen, sondern Grundlage moderner Staatlichkeit überhaupt. Der normale Gang bürgerlicher Verhältnisse hat stets die potentielle Verfügungsgewalt der souveränen Macht über die Einzelnen zum Hintergrund. In der Verhängung des Ausnahmezustands durch den Souverän wird gewissermaßen die Grundlage der modernen Rechtsform offenbar, wonach die Einzelnen in ihrer Beziehung zum Souverän reduziert sind auf die „bloße Nacktheit des Menschseins“.3 Im Lager manifestiert sich gewissermaßen der extreme Charakter dieses Status. Basiert das moderne Recht auf dem totalen Verlust, über das eigene Dasein selbst zu bestimmen, so werden den Menschen auf der Grundlage dieser Nichtung dann gewisse Rechte, die Rechte als „Mensch“, wieder zugestanden.
Allerdings darf der auf das „nackte Dasein“ reduzierte Mensch nur dann auf eine Garantie von existentiellen Rechten der „Menschlichkeit“ hoffen, soweit er über eine anerkannte und national fundierte Rechtssubjektivität verfügt. Das verweist schon auf die notwendige nationalstaatliche Verfasstheit moderner Souveränität. Diese Würde in der Entwürdigung bedeutet, dass die Einzelnen gesellschaftliche Geltung und Anerkennung nur als vollwertige Bürger in der Beziehung zu einem politischen Souverän erlangen. Der Status als „Mensch überhaupt“, der gekennzeichnet ist durch die absolute Verfügungsgewalt des Souveräns, transformiert sich somit unter den Bedingungen rechtsstaatlicher Normalität in den Status des Bürgers (citoyen). Menschenrecht kann sich, vermittelt über die Nationalstaatlichkeit, nur als Bürgerrecht realisieren. Der Unterwerfung und dem Ausgeliefertsein, welche im staatlichen Ausnahmezustand offen werden, ordnet sich ein „positives“ Moment zu: das „Recht, Rechte zu haben“ (Arendt 2001, S. 614). Auf dieser Ebene wird schon deutlich, dass der nationalstaatliche Einschluss nur für ausgesuchte und besonders qualifizierte Schäfchen des jeweiligen Territoriums und seines souveränen Hirten gilt. Bleiben Menschen von der Anerkennung als national verfasste Rechtspersonen ausgeschlossen, so werden sie angesichts der souveränen Staatenwelt gewissermaßen zu Außerirdischen: Ihnen fehlt der „positive“ Status als Bürger eines Nationalstaates. Die Reduktion auf das nackte Leben allerdings gilt unumschränkt auch oder gerade für sie.

Schafe im Lager

Wann immer Angehörige eines im Normalbetrieb intakten staatlichen Zusammenhangs, auch außerhalb ihres Territoriums, von Dritten bedroht sind, wie beispielsweise deutsche Geiseln im letzten Jahr in Algerien, tritt der Souverän sozusagen als Hirte seiner Herde in Funktion, um sie wieder in seinen Zugriffsbereich zu überführen. Hört umgekehrt, wie in Afghanistan, der Souverän auf zu existieren , so müssen seine Untertanen auf die oberste Gewaltinstanz und deren Schutzfunktion verzichten. Was ihnen von der warengesellschaftlichen Form aber bleibt, ist die andere Seite der staatlichen Rechtssubjektivität: der rechtlose Zustand der Staatenlosen, d.h. nach Arendt die Schutzlosigkeit des „bloßen Menschsein“.
Dieser Situation sehen sich derzeit unmittelbar diejenigen ausgesetzt, welche der imperialen Gewalt des neuen Pseudo-Welt-Souveräns, den USA, anheimfallen. „Pseudo“ deshalb, weil es sich nicht um die klassische Zugriffsmacht eines territorial verfassten Souveräns handelt, sondern um den potentiellen, aber letztlich uneinlösbaren Anspruch der verbliebenen Weltmacht auf weltweite Hegemonie. Schließlich besteht die globale Funktion der amerikanischen Militär- und Gewaltmaschinerie nicht länger in dem Versuch diese Territorien flächendeckend in den Verwertungsraum des Kapitals zu integrieren. Vielmehr kann es dem Welt-Souverän „nur“ noch darum gehen, für die noch intakten Inseln der globalen Wertverwertung vorübergehend einigermaßen störungsfreie Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Und auch dies wird angesichts der zunehmenden irrationalistischen Gewaltausbrüche und Zerstörungstendenzen in den Verliererregionen immer schwieriger.
Es ist ein Ausdruck für den fortgeschrittenen Grad des Zerfalls der modernen gesellschaftlichen Form, dass es der einzigen Weltmacht immer weniger gelingt, auch nur begrenzte Gebiete unter ihre reale Kontrolle zu bekommen, weil eine globale Integration über Arbeit und Warenproduktion unmöglich geworden ist. Umso mehr sorgt die USA in diesen Regionen höchstselbst für anomische Zustände und scheint dabei einen aktiven und beschleunigenden Part für die Herstellung eines permanenten Ausnahmezustandes spielen zu wollen. Die Beziehung zu den Einzelnen, die der US-Pseudo-Souverän in diesen Regionen herstellt, folgt im Kern der beschriebenen Logik der Entrechtung und der Reduktion auf ein nacktes und bedeutungsloses Leben. In Afghanistan wie im Irak können die Menschen, ihres Status als nationale Rechtssubjekte faktisch beraubt, beliebig Opfer der Willkür des US-Militärs werden. Ja, das Agieren unter Ausnahme- und Kriegsrecht kann sich nur als stetiger Willkür-Prozess von Herrschaft und Gewalt gegenüber den „Menschen überhaupt“ manifestieren. Dann kann auch der Souverän als Gewalt-Hirte die Einzelnen tatsächlich wie Vieh behandeln, wie z.B. einige aus den US-Lagern entlassene Häftlinge im Irak berichteten: „Die Gefangenen stundenlang gefesselt in der Sonne liegen zu lassen oder die Kürzung von Lebensmittelrationen seien mögliche Strafmaßnahme der US-Truppen (…). ‚Sie respektieren niemanden, ob jung oder alt‘ (…). ‚Sie hielten uns wie Schafe‘, sagt der 38jährige Saad Naif. ‚Sie schlugen Menschen. Sie demütigen Menschen.‘“ (Nürnberger Nachrichten, 6.11.2003).
Die Veröffentlichungen aus dem Foltergefängnis Abu Ghraib haben deutlich werden lassen, dass die Logik von totaler Verfügung und Entwürdigung – in obiger Diktion wäre wohl eher von „nackter Menschwerdung“ zu sprechen – keine zufällige und bloße Begleiterscheinung darstellt, vielmehr weisen sie systematischen und verallgemeinerten Charakter auf. Die gesamte Befehlskette, von der Regierungsspitze bis hinunter zu den niedrigsten Dienstgraden, agiert in einem Feld, das dem Gegenüber nur noch den Status des zum reinen Objekt degradierten Lebens zuerkennt. Die Bush-Regierung hat nach dem 11. September 2001 mit dem „patriot act“ und der „military order“ konsequent die Auflösung rechtlicher Strukturen betrieben und den Status einer Rechtsperson für disponibel erklärt. Alle unter Terrorismus-Verdacht Geratenen können als „enemy combatant“ eingestuft und beliebig lange in Lagern verwahrt werden. Die Würde in der Entwürdigung, das „Recht auf Rechte“ wird ihnen damit aberkannt und sie werden einer Gewalt unterworfen, die jeder gesetzlich geregelten Kontrolle entzogen ist. Nach dem Motto, wie der Herr, so der Hund, verfügt der US-Militärapparat dabei über eine ausführende Personage, die die Logik der Entwürdigung als ihren innersten Auftrag und ihr persönliches Anliegen zu betrachten scheint. Treffend wurden in den Medien die Ereignisse von Abu-Ghraib deswegen auch in einen Zusammenhang mit den Phantasien des Marquise de Sade gebracht, der als theoretische Avantgarde persönlicher Gewaltexzesse gelten kann. In den Orgien seines Buches „Die hundertzwanzig Tage von Sodom“ entwarf de Sade beispielsweise ein Verhältnis zwischen den handelnden Gewalt-Subjekten und ihrem „Material“, das die Gewalt und Brutalität moderner Lager antizipierte: Die Entrechteten werden konsequent der totalen und selber zwanghaften Willkür sexueller Maßlosigkeit ausgesetzt, die in ihnen nichts als bloße Objekte und nacktes, den Tieren ähnliches Leben sehen will: „Bedenket, dass wir euch durchaus nicht als menschliche Kreaturen betrachten, sondern lediglich als Tiere, die man für den Dienst, den man von ihnen erhofft, ernährt, die man jedoch vertilgt, wen sie diesen Dienst verweigern“ (de Sade 1999, S. 86). Dabei ist es alles andere als Zufall, dass bei de Sade die Rolle des persönlichen Gewaltsouveräns männlich besetzt ist.

Abstraktion und nacktes Leben

Es ist offensichtlich, dass die aktuellen Zerfallsprozesse von Nationalstaaten die von Hannah Arendt aufgezeigten Phänomene des Ausschlusses Staatenloser aus dem bürgerlichen Anerkennungsuniversum, virulent werden lassen. Womit wir es zu tun haben, ist das Offenbarwerden der Bedeutungslosigkeit des „nackten Lebens“ ohne souveräne Schutzgarantie. Denn in der Krise der Arbeit und der Rechtsform wird zwar der Normalbetrieb des bürgerlichen Lebens außer Kraft gesetzt, die Dimension der Gewalt und des schutzlosen nackten Lebens bleibt jedoch erhalten. Was das Verhältnis zwischen der Geltung als „citoyen“, dem politischen Dasein, und der Existenz als „Mensch überhaupt“ angeht, so verschwindet mit dem ersten nicht gleichzeitig letzteres. In der nach wie vor herrschenden Totalität der Wert- und Rechtsform, entfällt immer mehr die sekundäre „Würde“ als Rechts- und Staatssubjekt, ohne dass doch die grundlegende Entwürdigung als „Mensch“ ebenfalls obsolet wird. Im Gegenteil: der Zerfall von staatlichen Strukturen macht z.T. erst die eminente Grundlage der Konstitution des modernen Rechts deutlich. Die Situation im Irak oder in Afghanistan oder noch mehr die Phänomene der Flüchtlings- oder „Totenschiffe“4
, wie der „Tampa“, machen die barbarische Geschäftsgrundlage der kapitalistischen Gesellschaft auf extreme Weise sichtbar. Jenseits davon gibt es mannigfaltige Übergänge zur noch intakten Anerkennung als Rechtssubjekt in einem Staatswesen. Doch gerade in diesen Extremen werden Qualitäten oder vielmehr Nicht-Qualitäten deutlich, die auf die dunkle Grundverfasstheit des strahlenden „citoyens“ verweisen. Dass im Falle der „Tampa“ und im Zusammenhang mit den australischen Schafen, Menschenrecht und Tierrecht eine eigentümliche Verwandtschaft aufweisen, ist genau dieser Konstitution geschuldet. Die Ebene, auf der sich das „Menschsein überhaupt“ mit dem „Tiersein“ berührt, wie bei den afghanischen Flüchtlingen, ist eben nicht die einer vorausgesetzten „biologischen“, „physiologischen“ oder gar „tierischen“ Gemeinsamkeit.5
Die Gleichheit bezieht sich vielmehr auf die Abstraktion in der gesellschaftlichen Form und drückt die Reduktion zu bloßen Objekten in einer extremen Weise aus.
Die „Nacktheit des Menschseins“ oder das „bloße Leben“ ist, wie sich noch deutlicher zeigen wird, also keine An-sich-Bedingung menschlicher Existenz. Vielmehr ist es eine soziale Bestimmung, die erst zusammen mit den modernen rechtsstaatlichen Verhältnissen entsteht. Die „Nacktheit des Lebens“ gewinnt überhaupt erst gesellschaftliche Bedeutung im Gefüge von Nationalstaatlichkeit und Rechtsform, und kennzeichnet einen Zustand, in dem der Souverän die völlige Verfügungsgewalt über das Dasein der Einzelnen beansprucht. Dieses Verhältnis der totalen Fremdbestimmung bedeutet aber einen Gipfelpunkt staatlich vermittelter Unterwerfung: dem „bloßen oder reinen Dasein des Menschseins“ entspricht ein ebenso „reiner“ Charakter der staatlichen Gewalt. Auf diesen Aspekt hat Walter Benjamin in seinem Essay „Zur Kritik der Gewalt“ hingewiesen. Die „reine Gewalt“ hat demnach eine herausgehobene Stellung, da sie bezogen ist auf den rechtlichen Ausnahmezustand jenseits des Normalbetriebs des Rechtsapparats.6
Es sind gewissermaßen die beiden Pole der modernen rechtsförmigen Konstitution: Einerseits das zum bloßen Objekt reduzierte „nackte Leben“, über das beliebig verfügt werden kann, und andererseits das souveräne Subjekt, das durch die „reine Gewalt“ diesen Objektstatus erst schafft.
Das moderne Subjekt besitzt also ein zweifaches Wesen: Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Hinter der Fassade des biederen und anerkannten Arbeits- und Staatsbürgers hat die gesellschaftliche Reduktion eine tierähnliche und schutzlose Figur, eine Art Schäfchen-Hyde geschaffen, über die der Staat im Extremfall ein unumschränktes Zugriffsrecht beansprucht. In der literarischen Figur des Mr. Hyde ist diese passive „Natur“ des Menschen nur in ihr aktives und aggressives Gegenteil verkehrt, und das naturhafte Gewaltverhältnis des Staates gegenüber den Einzelnen ist gewissermaßen privatisiert. Man könnte den Begriff der „zweiten Natur“ von Marx, der eigentlich die verselbstständigten Verhältnisse der Warengesellschaft ausdrückt, auch auf diese spezifische Form der Gesellschaftlichkeit „der Natur“ anwenden. Giorgio Agamben analysiert in seinem Buch „Das Offene“ die Mechanismen, die in der Moderne den Ausschluss des Humanen von seinem Gegenteil, dem vermeintlich Inhumanen, hervorbringen. Das auf diese Weise erst produzierte „Tierische“ wird vom Menschlichen durch eine „anthropologische Maschine“ getrennt, „das heißt sie animalisiert den Menschen, indem sie das Nicht-Humane im Menschen absondert (…). Was auf diese Weise erreicht werden soll, ist (…) weder ein tierisches noch ein menschliches Leben, sondern bloß ein von sich selbst abgetrenntes und ausgeschlossenes Leben – bloß ein nacktes Leben“ (Agamben 2003a, S. 47). In der Terminologie scheint es schwierig, konsequent das erst hergestellte Animalische kenntlich zu machen. Die „Maschine“, von der Agamben ohne Bezug auf die Warengesellschaft spricht, bedeutet jedenfalls nichts anderes als die Abstraktionsbewegung des „automatischen Subjekts“ (Marx), die in ihrer gesellschaftlichen Vermittlung den Individuen einen bloßen Objektstatus der Entwürdigung und Verfügbarmachung verleiht: eine „zweite Natur“ des „nackten Lebens“. Für das bürgerliche Bewusstsein erscheint diese gesellschaftliche Objektivität als Abdifferenzierung eines animalischen Wesens vom „eigentlichen“ bewusst handelnden und denkenden Subjekt. Genau darin beweist es aber seine Blindheit für die eigene spezifisch-historische Konstituiertheit.

Die Dialektik von Allgemeinheit und Privatheit

Das „Recht, Rechte zu haben“ erwies sich auf einer grundsätzlichen Ebene als mit dem nackten Dasein verknüpft. Der Ausnahmezustand und die damit hergestellte „bloße Existenz“ ist dabei, wie ausgeführt, nur das Extrem des Normalbetriebs einer Gesellschaft, die von einer verselbstständigten Abstraktion beherrscht wird: des auf sich selbst rückgekoppelten Werts. Kennzeichnend für diesen Normalbetrieb ist das paradoxe Verhältnis einer Vergesellschaftung, die gleichzeitig die Menschen von ihrem sozialen Zusammenhang trennt. D.h. die Vermittlung mit der Allgemeinheit (des Werts) erfolgt in einer spezifischen, sozial isolierenden Weise.
In der Verwertungsbewegung von lebendiger Arbeitskraft nimmt die abstrakte Allgemeinheit der Ware immer die Form des Privaten an. Damit konstituiert sich der Kapitalismus als ein System unabhängiger Privatproduzenten, in welchem das trennende Moment zugleich das vermittelnde und damit das wesentliche und bestimmende ist . Die Verausgabung von Arbeitskraft vollzieht sich in dieser paradoxen Form der Verkehrung von abstrakt-allgemeiner Substanz und privatem Eigentum an dieser Substanz. Auch die Anerkennung der konkreten Bedürfnisse der Einzelnen sind in den Rahmen dieses Privat-Allgemeinen eingelassen.
Ein grundlegender Widerspruch von Arbeit und Wert besteht also in der Dialektik der abstrakten Allgemeinheit und ihrer verkehrten Form der einzelnen und isolierten Privatinteressen. In dem Verhältnis der „ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit“ (Marx) der Einzelnen figuriert der Staat als Garant für die abstrakte Allgemeinheit und gleichzeitig für den Zusammenhang der isolierten und ihren privaten Interessen folgenden Willens- und Rechtssubjekte. Mehr noch: der Staat ist gewissermaßen das institutionalisierte abstrakte Verhältnis der Einzelnen, und die erste und wesentliche staatliche Funktion besteht in der Gewährleistung und Fixierung der Freiheit der unabhängigen Privatpersonen: „Die Konstitution des politischen Staates und die Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft in die unabhängigen Individuen – deren Verhältnis das Recht ist – vollzieht sich in einem und demselben Akte“ (Marx 1983, S. 369). Das Recht, als der Inbegriff der politischen Konstitution, bedeutet somit nichts anderes als die institutionelle Fixierung des abstrakten gesellschaftlichen Verhältnisses der modernen Individuen. Rechtsperson zu sein, heißt demnach, keine direkte Gesellschaftlichkeit zu besitzen und durch die Dialektik des sozial-isolierenden Allgemeinen bestimmt zu sein. Das Recht schreibt das isolierte Verhältnis und die Privatexistenz der Einzelnen fest, und die Rechte, die der Staat gewährleistet, haben immer die Verknüpfung von vereinzeltem Einzelnen und abstrakter Allgemeinheit zur Voraussetzung. Die robinsonhafte Existenz des modernen Individuums ist die Quelle des Rechts.

Staat und Menschenrecht

Für den Alltagsverstand erscheint dieses blind erzeugte Zwangsverhältnis von Recht und Staat allerdings gerade umgekehrt. Aus der Perspektive der vereinzelten Einzelnen stellt sich die Fixierung der privaten und trennenden Form, als Kern seiner individuellen Freiheit dar. Im Bewusstsein der Individuen reflektiert sich das abstrakte Verhältnis als ihr ureigenstes Recht, ihre persönlichen und privaten Angelegenheiten „selbst“ zu regeln. Der Zwang des isolierenden Gesellschaftszusammenhangs verkehrt sich in das scheinbare Glück der vereinzelten Einzelnen, in ihr angestammtes Recht als Privatperson. Jede staatliche Verfassung hebt diesen Status der isolierten Einzelnen besonders hervor, der gemeinhin als Kern der Menschenrechte und als Inbegriff der „Würde des Menschen“ gilt. Marx hat sehr hellsichtig auf dieses widersprüchliche Moment hingewiesen, das historisch zum ersten Mal in der Französischen Revolution sichtbar wurde. Die machtvolle staatliche Konstitution ging mit der Proklamation der isolierten einzelnen Rechtspersonen einher, ja sie wies dem Staat im Verhältnis zum Privaten eine sekundäre und nachgelagerte Rolle zu. Es ist also keineswegs so, dass der Staat einen grundlegenden Widerspruch zur Privatheit darstellt, sondern diese im Gegenteil zur Voraussetzung hat: „Es ist schon rätselhaft, dass ein Volk, welches eben beginnt, sich zu befreien, alle Barrieren zwischen den verschiedenen Volksgliedern niederzureißen, ein politisches Gemeinwesen zu gründen, dass ein solches Volk die Berechtigung des egoistischen, vom Mitmenschen und Gemeinwesen abgesonderten Menschen feierlich proklamiert ( Déclaration de 1791), ja diese Proklamation in einem Augenblicke wiederholt, wo die heroischste Hingebung allein die Nation retten kann und daher gebieterisch verlangt wird, in einem Augenblicke, wo die Aufopferung aller Interessen der bürgerlichen Gesellschaft zur Tagesordnung erhoben und der Egoismus als ein Verbrechen bestraft werden muss“ (Déclaration des droits de l‘homme etc. de 1793, Marx, S. 366).
An diesem historischen Punkt werden die beiden Seiten der einen Medaille – der staatliche Souverän und die private Rechtsperson – besonders deutlich: Die Deklaration der Rechte des Einzelnen erscheint als notwendiges Gegenbild zur machtvollen Konstitution moderner Staatlichkeit. Die Menschenrechte, die Anrufungsinstanz bürgerlicher Emanzipation, stellen dabei nur die private Seite der ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit dar: „Das Menschenrecht der Freiheit basiert nicht auf der Verbindung des Menschen mit dem Menschen, sondern vielmehr auf der Absonderung des Menschen von dem Menschen. Es ist das Recht dieser Absonderung, das Recht des beschränkten, auf sich beschränkten Individuums“ (ebd., S. 364). Und weiter:
„Keines der so genannten Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privatwillkür zurückgezogenes und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist (…). Die Gesellschaft erscheint vielmehr als ein den Individuen äußerlicher Rahmen, als Beschränkung ihrer ursprünglichen Selbständigkeit“ (ebd., S. 366, Hervorh. von mir, K. L.).
Marx schildert hier neben dem grundlegenden (Rechts-)Verhältnis der bürgerlichen Individuen die Form der Erscheinungsweise dieses Verhältnisses und damit einen Aspekt des modernen Fetischismus. Der innere Zwang der privaten Form zur Abtrennung vom gesellschaftlichen Zusammenhang stellt sich dar als äußerer und die Einzelnen einschränkender Zwang. In der bürgerlichen Philosophie, aber auch für den Alltagsverstand erscheint dieses Verhältnis als unaufhebbarer Gegensatz von Gesellschaft und Individuum, von Allgemeinheit und Einzelnen oder als Widerspruch von Sein und Sollen, ohne die tiefere Identität der jeweiligen Pole zu durchschauen. Die grundlegende Dialektik der Verkehrung der Allgemeinheit der Arbeit zur privaten Form der Aneignung dieser Arbeit stellt sich als Widerspruch äußerer Notwendigkeit und innerer Freiheit dar. Die Lösung dieses Widerspruchs für das verdinglichte Bewusstsein des aufgeklärt liberalen Verstandes, ist das Geltendmachen der individuellen Rechte des Einzelnen, der Rechte als „Mensch“. Aus seiner Sicht, die von der bloßen Erscheinung ausgeht, reduziert sich das Problem immer auf das eines angemessenen Verhältnisses von Staat und Einzelnem. Als fortschrittlich bzw. „human“ gilt daher stets das Eintreten für die besonderen Rechte des Individuums, in der Regel in Form der Menschenrechte.
„Der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, der unpolitische Mensch, erscheint aber notwendig als der natürliche Mensch. Die droits de l‘homme erscheinen als droits naturels, denn die selbstbewusste Tätigkeit konzentriert sich auf den politischen Akt. Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundene Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewissheit, also natürlicher Gegenstand“ (ebd., S. 369).
Die Isolation der Einzelnen ist allerdings kein neutrales Nebeneinander von individuellen Privatwillen, sondern mit der paradoxen Isolierung ist gleichzeitig die Konkurrenz der Subjekt untereinander gesetzt. Die Verkehrung des Allgemeinen in das Private impliziert bereits den Kampf der bürgerlichen Subjekte gegeneinander, das Verhältnis des homo homini lupus. Dadurch kommt dem Staat die Funktion als Garant des regulären Verkehrs zwischen den beschränkten und auf sich bezogenen Einzelnen zu, der die Konkurrenz abmildert und in rechtliche Bahnen lenkt. An dieser Grenze zwischen dem egoistischen Einzelnen und dem staatlichen Schutz vor der Vernichtung durch die Anderen sprudelt das staatlich zu garantierende Recht auf Sicherheit: „Die Sicherheit besteht in dem Schutz, den die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder gewährt für die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums“ (Erklärung der Menschenrechte von 1793).
Der Staat erscheint als Garant vor dem Zugriff der konkurrierenden Anderen. Dabei wird der fetischistische Schein der Zwangsisolation als Freiheit noch durch den Mechanismus der Naturalisierung verfestigt. Zum Einen werden die gesellschaftlichen Verhältnisse der Einzelnen in die Sphäre der Natur projiziert: Die soziale Konkurrenz erscheint als Wolfsnatur des Menschen, wogegen der Staat mit seiner Funktion der Zivilisierung einspringen muss. Den Kontrast und das negative Gegenbild zur regelnden Funktion des staatlichen Souveräns bildet damit die angebliche Wolfsexistenz der totalen Konkurrenz und der Willkür der egoistischen Subjekte. Die Folie für die zivilisierende Funktion des Staats ist der drohende Krieg aller gegen alle. Der Staat gewinnt daraus seine legitimatorischen Weihen und die Perspektive kehrt sich um: Die Sphäre der Politik und der abstrakten Allgemeinheit erscheint nicht länger als einschränkender Rahmen für das individuelle Freiheitsstreben, sondern die Sicherheit spendende Gewalt des Staats gewährleistet erst das zivilisierte Zusammenleben der „kleinen Ungeheuer“. Wahlweise kann so neben dem Pol der individuellen Chancen und des Rechts des Einzelnen (liberale Position) der Pol der kollektiven Sicherheit und der zivilisationsspendenden Wirkung des Souveräns (konservative Position) besetzt werden, ohne die grundlegende Identität beider zu reflektieren. Der Staat ist aber nach seiner grundlegenden Logik nicht die Grenze der egoistischen Einzelinteressen, sondern deren Vermittlungsform.

Autonomer Wille und Realmetaphysik

Die Konstitution des Staates und des Rechts lässt sich nicht durch die empirisch besonderen Willensabsichten der Einzelnen erklären, sondern nur indem die Verschränkung der abstrakten und privaten Form mit diesen besonderen Interessen sichtbar gemacht wird. Denn wir bewegen uns mit der Analyse der Dialektik von Allgemeinheit und privater Verkehrung auf einer gesellschaftlichen Formebene, die von den empirisch konkreten Inhalten zu unterscheiden ist. Die politische Theorie der Moderne, die Ideologie der bürgerlichen Selbstlegitimation, hat sich mit diesem Problem lange Zeit herumgeschlagen, ohne es zu lösen.
Die Vertragstheoretiker à la Hobbes scheiterten an dem Widerspruch, dass der bloße empirische Wille der Einzelnen nicht der wirkliche Hintergrund der staatlichen Konstitution darstellen kann, sondern grundlegender in der abstrakten Verkehrsform der bürgerlichen Monaden zu suchen ist. Kant hingegen ist in seiner Theorie der bürgerlichen Vernunft dem Problem der abstrakten Form relativ nahe gekommen, indem er den Bestimmungsgrund des „unumschränkt guten Willens“ konsequent von allem Empirischen reinigte und als metaphysisch fundierte Form formulierte. Bis zur letzten affirmativen Konsequenzen der Unterwerfung der Einzelwillen unter dieses abstrakte inhaltslose Formprinzip hat der brutalstmögliche Aufklärer damit die grundlegende konstitutive Ebene der bürgerlichen Praxis berührt. Allerdings in mystifizierter Art und Weise als Metaphysik der Vernunft, die in einem transzendentalen Jenseits fern der empirischen und inhaltlichen Handlungen der Einzelnen verortet sein soll, anstatt gerade durch die gesellschaftlich-reale „metaphysische“ Praxis in der Warengesellschaft konstituiert zu sein.
Durch die Fixierung auf die reine Form des Willens als „Ausgang aus der Unmündigkeit“ verkehrt Kant den realen herrschaftlichen Gehalt dieser gesellschaftlichen Abstraktion in ein emanzipatorisches Projekt. Man kann die Aufklärung insgesamt als fetischistisch verblendetes Bewusstsein kennzeichnen, in der die Herrschaft der gesellschaftlichen Form, das Zwangsverhältnis von abstrakter Allgemeinheit (der Arbeit) und isolierendem Egoismus der Einzelnen, als Freiheit des selbstbestimmten Willens erscheint.7
Für Kants Entwurf ist der Begriff der „Autonomie des Willens“ bzw. der „Würde des Menschen“ zentral, die sich als bloß selbstgewollte Unterwerfung unter den trennenden und abstrakten Formzwang der bürgerlichen Verkehrsform, alias bürgerliche Vernunft erweist. Als der Inbegriff moderner subjektiver Freiheit hat konsequenterweise dieses zentrale Grundrecht der „Würde des Menschen“ Eingang in jede staatliche Verfassung gefunden, so z.B. in Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes, nach dem diese Würde unter dem besonderen Schutz der staatlichen Gewalt steht. Wir haben hier wieder die veräußerlichte und fetischistische Vorstellung vom abstrakten Einzelnen vor uns, der im Gegensatz zu seiner verselbstständigten Gesellschaftlichkeit seine individuelle Freiheit und seine Würde als selbstbestimmtes Subjekt geltend macht. Dass der Rechtsstaat diesem Verlangen gerne nachkommt und dieses sogar als sein innerstes Ziel und Streben ansehen muss, stellt, wohl zur Verblüffung manch linken Bewusstseins, keinerlei Widerspruch dar. Denn schließlich ist die staatliche Konstitution nur die andere und notwendige Seite der abstrakten Freiheit.

Ausnahmezustand und Normalbetrieb

Die Normalität von Arbeitverausgabung und Rechtsubjektivität, die heute immer prekärer wird, hatte schon immer die Suspendierung aller Rechte, d.h. den Ausnahmezustand als Gegenbild: Der Souverän bestimmt darüber, das Recht außer Kraft zu setzen, so der Nazi-Ideologe Carl Schmitt. Die Verfügung über das „natürliche“ Menschenwesen liegt in diesem Fall nicht mehr bei den Einzelnen, die „souverän“ über ihr (unpolitisches) Leben, über sich als „passive Naturgegenstände“ (Marx) entscheiden können. Allein der staatliche Souverän hat nun das „Recht auf alles“. Die Individuen sind dann derart auf eine Allgemeinheit bezogen, die über das Besondere als bloße Erscheinungsform des Allgemeinen hinausstrebt, und dieses Besonderen nicht mehr zu bedürfen scheint, außer zur Demonstration einer Machtpotenz oder zur Nichtigkeit seines „Materials“. Auf der dem Rechtsverhältnis korrespondierenden Ebene des Kapitalverhältnisses findet sich die gleiche Logik: „Der Kapitalform hängt der Traum einer äußersten Grenzenlosigkeit an, eine Phantasie von Freiheit als der völligen Befreiung von aller Stofflichkeit, von der Natur. Dieser ‚Traum des Kapitals‘ wird zum Alptraum für all das und all diejenigen, wovon das Kapital sich zu befreien versucht“ (Postone 2003, S. 576). Analoges gilt für die Rechtsform. Unter den regulären Bedingungen der Wertverwertung ist die Privatperson des bürgerlichen Rechts, der lateinischen Ursprungsbedeutung des Wortes privat gemäß, seines sozialen und inhaltlich-stofflichen Zusammenhangs beraubt. Er existiert als „selbstbestimmtes“ soziales Atom, als autonome gesellschaftliche Monade. Ist dieser private Wille nur die subjektive Illusion seiner verselbständigten Praxis, so geht das bürgerliche Subjekt im Ausnahmefall auch noch dieser abstrakten Freiheit verlustig und wird direkt der Zugriffsgewalt des Staates unterstellt. Die negative Dialektik der Herrschaft einer blind erzeugten Allgemeinheit existiert hier gewissermaßen ohne die Vermittlung über die private Form. Die „absolute Abstraktion“ (Hegel) kennzeichnet einen Zustand, in dem es nicht mehr um die staatliche Gewährleistung des Rechts im Verkehr der isolierten Einzelnen geht, sondern um den (politischen) Willen in Reinform. „In der Ausübung der Gewalt über Leben und Tod bekräftigt mehr als in irgendeinem andern Rechtsvollzug das Recht sich selbst“ (Benjamin 1965, S. 7). Die Absolutheit des abstrakten Verhältnisses macht sich hier, in den Momenten des Ausnahme- oder Kriegszustands, bis zum Extrem der „Aufhebung des Lebens“ (Marx, S. 357) geltend: „In den Momenten seines besondern Selbstgefühls sucht das politische Leben seine Voraussetzungen, die bürgerliche Gesellschaft und ihre Elemente, zu erdrücken“ (ebd.). Was Marx als bloßes Übergangsphänomen hin zur Errichtung der bürgerlichen Gesellschaft mittels Revolution kennzeichnete, hat sich als wiederkehrendes Charakteristikum der modernen Form in Kriegs- und Krisenzeiten erwiesen. Der abstrakte Zusammenhang entwickelt sich zur Kenntlichkeit, indem er den bunten Mantel der ökonomischen Tausch-Beziehungen abwirft und sich seiner Bestimmung als reiner Form annähert, die gleichgültig von jeglichem Inhalt existieren möchte. Dieser Form der „reinen Gewalt“ (Benjamin) im Ausnahmezustand entspricht der andere Pol, die Verfügung über das „nackte Leben“, die jederzeit die mögliche „Aufhebung des Lebens“ mit einschließt .8

Verfall und Emanzipation

Die spezifische abstrakte und die Einzelnen isolierende Allgemeinheit hat im Grunde nichts mit Freiheit und Selbstbestimmung zu tun, auch wenn das aufgeklärte Bewusstsein sich dies mit vielleicht auch emanzipatorischen Absichten – immer einzureden versucht. Die als Menschenwürde und im Menschenrecht fixierte bürgerliche Freiheit ist nur fetischistischer Ausdruck für die Verkehrung der Beziehungsform in der Warengesellschaft: Was als Freiheit und Selbstbestimmung erscheint, ist in Wirklichkeit nichts anderes als Zwang und Herrschaft. Solange die immanente Beziehung des abstrakten Einzelnen zu seinem verselbständigten Zusammenhang in Form des Staates und der Politik als selbstverständliche Rahmenbedingung akzeptiert wird, tut sich keine emanzipatorische Perspektive auf. Emanzipation muss stattdessen von vornherein auf die Auflösung ungesellschaftlicher Gesellschaftlichkeit abzielen. Die Warengesellschaft hat ein historisch beispielloses soziales und materielles Vergesellschaftungsniveau geschaffen, indem sie die Menschen von ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang isoliert und abgesondert hat. Angesichts dieses Grundwiderspruchs greift die Vorstellung zu kurz, das Spannungsverhältnis zwischen dem objektivierten gesellschaftlichen Zusammenhang (dem „automatischen Subjekt“) und den zur Selbstbestimmung konstituierten Einzel-Subjekten ließe sich zugunsten der letzteren auflösen. Diese Anschauung hat nur einen unklaren Begriff der Dialektik zwischen Allgemeinheit und privat-egoistischer Form der Einzelnen. In der Konstitution der Moderne ist die bürgerliche Freiheit, das Recht auf „Selbstbestimmung“, nur die negative Zwillingsgestalt der abstrakten Herrschaft von Staat und Wert und keineswegs an sich schon Grundlage emanzipatorischer Hoffnung und Anknüpfungspunkt für eine soziale Gegenpraxis. Marx als radikaler Kritiker der bürgerlichen Form siedelte deswegen auch konsequent die „menschliche Emanzipation“ jenseits der „politischen Emanzipation“ an:
„Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person. Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit (…) erst wenn der Mensch seine ‚forces propres‘ (eigenen Kräfte) als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht“ (ebd., S. 370).
Marx hielt an der radikalen Kritik der politischen Form fest, auch wenn er die politische Emanzipation als notwendigen menschlichen Fortschritt gegenüber den vormodernen Formen kennzeichnete. Seinem im Horizont des historischen Materialismus befangenen Emanzipationsverständnis nach hatte die moderne politische Form einen positiven, weil transitiven Status, der durch die Aufhebung der Politik und des Staates vollendet werden sollte. Dieser Fortschrittsoptimismus war, wie wir heute wissen, der Wucht der kapitalistischen Entwicklung geschuldet mit ihrem positiven Bezug zur immanenten Kategorie der Ware Arbeitskraft alias Proletariat und führte keineswegs zur Abschaffung modernen Staatlichkeit. Vielmehr zeichnet sich heute mit der Krise der Arbeit eine andere und keineswegs fortschrittliche „Transzendierung“ der modernen Formen ab. Im krisenhaften Verfall wird der Staat selbst zum Inbegriff der Willkür; ein Prozess, der mit der Verwilderung rechtlicher Umgangsformen einhergeht. In diesem Zerfallsprozess scheinen die zur bürgerlichen Freiheit und die zu den Menschenrechten verkehrte Unterwerfung unter die Zwangsgesetze der abstrakten Form allemal zivilisierter als die losgelassene Konkurrenz der Bandenkriege und der Plünderungsökonomie und das sind sie ohne Zweifel auch. Doch das Einklagen der Rechte als „Mensch“ ist hilflos, angesichts der Krise des Formzusammenhangs von Arbeit und Staat. Sicherlich ist das Geltendmachen rechtlicher Standards in Anknüpfung an die Menschenrechte nicht mit Bausch und Bogen zu kritisieren. Aber es scheint doch für eine emanzipatorische Perspektive essentiell, in welchem Horizont die Kritik an den Verhältnisse formuliert wird, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen“ (Marx) ist. Und dies kann nur die bewusste Organisation der gesellschaftlichen Kräfte und die direkte Aneignung der inhaltlichen und stofflichen Ressourcen sein. Dies bedeutet aber für die rechtliche Konstitution nicht die aussichtslose Anrufung der Rechte der vereinzelten Einzelnen in Form irgendwelcher Menschenrechte, sondern das Ende des abstrakten Staatsbürgers und des Menschen als „natürlichen Gegenstand“ (Marx), d.h. des „nackten Lebens“. Dies wäre der wirkliche Tod des „Menschen“ und nicht seine postmoderne hyperflexibilisierte Verlängerung.

Rassismus: „Menschsein“ in Afrika

Bisher ist klar geworden, dass die bürgerlichen Werte der Freiheit und Selbstbestimmung eine Art Phantasma und eine veritable Verkehrung der tatsächlichen Verhältnisse der verselbständigten Herrschaft der Arbeit und des Rechts darstellen. Darüber hinausgehend ist aber die Frage zu stellen, ob der Anspruch auf universelle Gültigkeit dieser negativen Prinzipien überhaupt erfüllt ist, d.h. ob der Status des freien und gleichen Rechtssubjekts allen Individuen in der modernen Form zukommt? Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass die Pforte, die in das Reich bürgerlicher Geltung führte, in der Geschichte der modernen Warengesellschaft schon von je her nur für einen bestimmten Personenkreis offen stand. In der Regel waren Frauen und Nicht-Weiße aus dem Anerkennungs-Universum von „Freiheit und Gleichheit“ ausgeschlossen. Dieser Ausschluss basiert keineswegs, wie landläufig angenommen wird, auf der nur unvollständigen Verwirklichung der Prinzipien von Freiheit und Gleichheit, vielmehr ist er diesen Prinzipien selber inhärent. Er verschwindet dementsprechend auch nicht mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, vielmehr erweist sich die Exklusion als konstitutives Merkmal der Warenform. Den zentralen psychosozialen Mechanismus stellt dabei die Projektion der eigenen unbegriffenen gesellschaftlichen Abstraktion auf einen „Anderen“ dar, wobei dieser „Andere“ nicht schon an sich existiert, sondern in der Projektionsbewegung erst hergestellt wird. Die damit erzeugten Ressentiment, welche dann Herrschaft, Ausschluss, Verfolgung und Unterdrückung legitimieren, bilden stets die Rückseite der modernen Vernunft. Selbst Hannah Arendt ist diesem unbewussten Mechanismus aufgesessen. Gerade aufgrund ihrer positiven Fixierung auf die politische Form – sie spricht dabei nach der ersten von einer notwendigen zweiten und politischen Geburt in den Raum der Polis – projiziert sie den „Naturzustand“ des Menschen, „die Nacktheit des Menschseins“ in die Sphäre des Dunklen und Vormodernen, vor allem auf die Bewohner des afrikanischen Kontinents: Rekurrierend auf das Verhältnis zwischen den Rechten als „Mensch“ und dem Souverän führt sie aus: „Was diese Verquickung der Menschenrechte mit der im Nationalstaat verwirklichten Volkssouveränität eigentlich bedeutete, stellte sich erst heraus, als immer mehr Menschen und immer mehr Volksgruppen erschienen, deren elementare Rechte als Menschen (…) so wenig gesichert waren, als hätte sie eine widriges Schicksal plötzlich in die Wildnis des afrikanischen Erdteils verschlagen“ (Arendt, S. 605). Die von der modernen Form erst geschaffene ungesicherte „bloße Existenz“ soll einen Zustand der Wildheit vor jeglicher menschlichen Zivilisation kennzeichnen. Offen wird der damit verbundene Rassismus in dem Verständnis für den Rassismus der südafrikanischen Buren: „In ihnen lebt vermutlich noch heute der erste grauenhafte Schrecken (…) vor den Menschen Afrikas – die tiefe Angst vor einem fast ins Tierhafte, nämlich wirklich ins Rassische degenerierte Volk, das trotz seiner absoluten Fremdheit zweifellos eine Spezies des homo sapiens war. Denn was auch immer die Menschheit an Schrecken vor wilden barbarischen Stämmen gekannt hat, das grundsätzliche Entsetzen, das den europäischen Menschen befiel, als er Neger (…) kennen lernte, hat nirgends seinesgleichen. Es ist das Grauen vor der Tatsache, dass auch dies noch Menschen sind, und die diesem Grauen unmittelbar folgende Entscheidung, dass solche ‚Menschen‘ keinesfalls unseresgleichen sein durften. (…). Wirkliche Rassen (…) scheinen auf der Erde nur in Afrika und Australien vorgekommen zu sein (…). Was sie von den anderen Völkern unterschied, war nicht die Hautfarbe; was sie auch physisch erschreckend und abstoßend machte, war die katastrophale (…) Zugehörigkeit zur Natur, der sie keine menschliche Welt entgegensetzen konnten (…). Es ist diese mit ihrer Weltlosigkeit gegebene Unwirklichkeit der Eingeborenenstämme, die zu den furchtbar mörderischen Vernichtungen und zur völligen Gesetzlosigkeit in Afrika verführt hat“ (ebd., S. 425ff.). Deutlicher kann man wohl den bis zur Rechtfertigung der Vernichtung heranreichende Mechanismus der Projektion von Eigenem in Anderes, inklusive der Angst davor, kaum auf den Punkt bringen. Jenseits der als „menschliche Welt“ apostrophierten westlich bürgerlichen Zivilisation gibt es das Dunkle und Andere der bloßen Zugehörigkeit zur „Natur“. Dass diese „Natur“-Bezogenheit und die „Weltlosigkeit“ sehr viel mit der modernen Form des „nackten Daseins“ zu tun hat, stellt Arendt an andere Stelle dar, ohne freilich den Widerspruch zu bemerken: Den Recht- und Staatenlosen ordnet sie eine „Unbezogenheit zur Welt“, eine „Weltlosigkeit“ zu, „die außerhalb aller weltlichen Bezüge rechtlicher, sozialer und politischer Art stehen“ (ebd., S. 624). Überraschend und erschreckend zugleich ist es, mit welcher Selbstverständlichkeit selbst Arendt die herausgestellten und von der modernen Staatenwelt erst geschaffenen Nicht-Qualitäten der Recht- und Staatenlosen, die „Naturhaftigkeit wie Welt- und Geschichtslosigkeit“ in die „Rassen“ hineinverlegt. Sie steht hierbei übrigens in „guter“ Tradition bürgerlicher Aufklärung und deren Nachfolgern. Von Rousseau über Kant bis zu Hegel finden sich ganz ähnliche Aussagen.

Freies Rechtssubjekt und Ausschluss

Rassisische und geschlechtliche Hierarchisierung setzen der Anerkennung als vollwertiges Gesellschaftsmitglied und Besitzer eines „allgemeinen und freien Willens“9 Grenzen. Aber auch wenn dem „freien“ Rechtssubjekt in einem nationalstaatlichem Territorium gesellschaftliche Geltung und Anerkennung zu Teil wird und diesem somit ein Katalog von Grund- und Menschenrechten zugeordnet wird, so handelt es sich bei diesen Rechten im Grunde doch nur um Selbstverständlichkeiten menschlicher und gesellschaftlicher Wesen: Das Recht zu leben, darauf etwas zu lernen (Recht auf Bildung), auf die Freiheit, seine Meinung zu äußern (Meinungsfreiheit), das Recht zusammenzukommen (Versammlungsfreiheit), hinzugehen, wo immer man will (Bewegungsfreiheit), all das sind Allgemeinheiten, die der besonderen Erwähnung erst auf der Grundlage einer totalen Entrechtung bedürfen.
„Von Folter muss man nur geschützt werden, wenn Folter möglich ist, nicht a priori ausgeschlossen werden kann. Gegen das Recht auf Essen stellen wir (…) die Verunmöglichung des Verhungerns, gegen das Recht auf Einkommen das selbstverständliche Auskommen als Mitglied der menschlichen Gesellschaft, gegen das Recht auf Lohn die gesicherte Versorgung mit materiellen Gütern, gegen das Recht auf Arbeit die Befreiung von der Arbeit (…). Das alles setzt ein Weltgesellschaft des Reichtums voraus“ (Schandl 1994, S. 23).
Wie sehr noch die bürgerlichen „Freiheiten“ die übergeordneten Unfreiheiten der kapitalistischen Form ausdrücken, sieht man beispielsweise an dem „Recht auf Staatsbürgerschaft“, dem „Recht auf Arbeit“, auf „gerechte Entlohnung“ oder gar dem „Recht auf Lebensstandard“ und dem „Recht auf Erholung, Freizeit oder Urlaub“ (Artikel 24 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte). Arendt hatte eine Ahnung von der Begrenztheit, ja Lächerlichkeit dieser „Rechte“: „Bevor sich dies ereignete (gemeint ist das Ausgestoßensein aus dem Rechtsverhältnis, K. L.), wurde das, was wir heute als ein ‚Recht‘ zu betrachten gelernt haben, eher als ein allgemeines Kennzeichen des Menschseins angesehen und die Rechte, die hier verloren gehen, als menschliche Fähigkeiten“ (Arendt 2001, S. 614f.).
Wie der berühmte Schluck Wasser in der Wüste, so entwickeln die Menschenrechte erst vor dem völlig entleerten Hintergrund der Abstraktion einer „bloßen Existenz“ einen derartigen Glanz und eine solche Attraktion. Nur eine völlige Entwürdigung der Existenz in den Formen eines degradierten Lebens als Arbeitskraft und des dazugehörigen isolierten Willenssubjekts, lassen Selbstverständlichkeiten wie etwas zu essen zu haben oder mit anderen zu kommunizieren als explizite Errungenschaften erscheinen.

Homo sacer statt homo politicus

Während der Aufstiegs- und Formierungsbewegung von Staatlichkeit erschien das Menschen- bzw. Bürgerrecht vor dem Hintergrund der sozial-ökonomischen Katastrophen als positiver Bezugspunkt und konnte von dort her seine Ausstrahlung entwickeln. Die gegenwärtige Situation des Zerfalls staatlicher Souveränität stellt nun für immer mehr Menschen einen Zustand her, in dem sie sich nicht mehr auf Menschen- bzw. Bürgerrechte in einem funktionierenden Staatskörper berufen können. Die afghanischen Flüchtlinge sind nur ein Beispiel für eine stetig wachsende Zahl von „Menschen überhaupt“, die jenseits der modernen Kategorien von Arbeit, Recht und Nationalstaat gezwungen sind, zu überleben: „Man muss den Begriff des Flüchtlings (und die Figur des Lebens, die er repräsentiert) entschlossen von dem der Menschenrechte ablösen und Hannah Arendts These ernst nehmen, welche die Geschicke der Menschenrechte an die des Nationalstaates bindet, so dass der Untergang und die Krise des letzteren notwendig auch die ersteren obsolet werden lässt. Der Flüchtling muss als das angesehen werden, was er ist, nämlich nicht weniger als ein Grenzbegriff, der die fundamentalen Kategorien des Nationalstaates (…) vom Nexus (…) Mensch–Bürger, in eine radikale Krise stürzt: So wird es möglich, das Feld für eine nunmehr unaufschiebbare kategoriale Erneuerung zu räumen“ (Agamben 2002, S. 143).
Agamben hat mit seiner Analyse des Lagers und des „homo sacer“ im Allgemeinen und mit seinem Hinweis auf das Phänomen des Flüchtlings im Besonderen das Problem der Menschenrechte und des nationalstaatlichen Zerfalls auf der einzig angemessenen Ebene reflektiert. Die Krisenphänomene, zu denen unter anderen die wachsenden Flüchtlingsströme gehören, haben tatsächlich den „Untergang und die Krise“ des Nationalstaates, inklusive seiner Bürger- und Menschenrechte zum Hintergrund. Und Agamben fordert für eine Neuorientierung gesellschaftlicher Reflektion und Praxis zu Recht eine „unaufschiebbare“ Erneuerung auf der kategorialen Ebene von Staatlichkeit, Politik und Recht. Für eine emanzipatorische Bewegung kommt es in dieser Situation ganz entscheidend darauf an, nicht die verkürzten und überkommenen Interpretationsmuster bürgerlicher Ideologie fortzuschreiben.

Die Linke

Die Linke blieb weitgehend im Horizont der Warengesellschaft befangen und zielte letztlich, im stets vorausgesetzten Universum von Arbeit und Staat, auf die Anerkennung in diesen Formen. Die Verbesserung der Lebensumstände und die Anerkennung als gleichberechtigter Staatsbürger konnte sich aber stets nur auf den gesellschaftlichen „Nullzustand“ des „nackten Lebens“ beziehen, da er ein notwendig konstitutives Moment für diese Gesellschaft darstellt. In der modernen nationalstaatlichen Konstitution herrscht immer die Dialektik der Anerkennung des Bürger- und Menschenrechts einerseits und die im Extremfall zu Tage tretende völlige Entrechtung als „nackte Existenz“ andererseits. Das „Erkämpfen des Menschenrechts“, wie es sich die Arbeiterbewegung in der „Internationalen“ selbst vorsang, wollte nicht zufällig explizit das „Nichts“ loswerden, welches nicht länger ertragen werden sollte. Der Impuls gegen die totale Unterwerfung und Degradierung zum „bloßen Leben“, gegen dieses „Nichts“ musste aber nicht zwangsläufig und ausschließlich in die gemäßigte Entwürdigung der bürgerlichen Form münden. Der tatsächlich emanzipatorische Gehalt von Bewegungen kann gerade an der Abstoßung und der wenn auch verkürzten Kritik der grundlegenden Zumutung der „nackten Existenz“ gemessen werden, und nicht an dem Geltendmachen von rein immanenten und im Grunde selbstverständlichen Rechten. Auch für den Gefangenen in Dunkelhaft scheint ein vergittertes Fenster und die frische Luft während des Hofganges als Verbesserung seiner Lebensumstände. Mit Emanzipation hat beides herzlich wenig zu tun. Im Zwangsverhältnis des „universellen Leidens“ und des „Unrechts schlechthin“ (Marx) haben die immanenten Anerkennungsformen nur die Funktion, die totale Unterwerfung unter die Abstraktion von Arbeit und Geld irgendwie lebbar zu machen. Als anerkannte Arbeits-, Konsum- oder Staatssubjekte verbleiben diese aber stets im Bannkreis des Nichts der „nackten Existenz“. Trotz des größeren oder kleineren Rinnsals aller sozialen Errungenschaften und der Anerkennung als Staatsbürger in der Geschichte der Moderne bildete die Wüste der abstrakten Herrschaft von Staat und Arbeit mit seinen Reduktionen stets den unüberschreitbaren Horizont. Der gegenwärtige linke Diskurs blickt angesichts des Vorrückens des warengesellschaftlichen Zerfalls immer verzweifelter auf die noch verbliebenen und kümmerlichen Reste der „zivilisatorischen Würde“, anstatt endlich den Blick frei zu bekommen auf die Unhaltbarkeit des Formzusammenhangs von Arbeit, Geld und Staat insgesamt. Je unmittelbarer der Bann des „nackten Lebens“ in der Krise der Warenform wirkt, desto gebannter der Blick auf das zerfallende Universum der Rechte.
Zunehmend rächt es sich nun, dass die Linke nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus und dem Verschwinden einer scheinbaren Alternative zum Kapitalismus nicht imstande war, ihre eigenen positiven Kategorien, wie Arbeit und Politik, in Frage zu stellen.

NGO als Pflegekraft der ersten Geburt
(Zivilgesellschaft und „nacktes Leben“)

In linken Kreisen zog man aus dem prekären Schwinden der Möglichkeiten nationalstaatlicher Politik in Folge der Globalisierung gerade nicht die angemessene Konsequenz der grundsätzlichen Problematisierung der abstrakten wie blinden gesellschaftlichen Vermittlung im Kapitalismus. Dieser Teil der Linken reflektierte zwar die Krise der (nationalen) Politik, meinte aber kurzschlüssigerweise aus der Not eine Tugend machen zu können: Mit dem Mainstream der bürgerlichen Mitte versuchte man, das zunehmende Prekärwerden staatlichen Handelns infolge der Transnationalisierung des Kapitals auf einer internationalen Ebene zu konterkarieren. Nicht länger, so die irrige Annahme, kann dem global agierenden Kapital in überkommenen Strukturen nationaler politischer Praxis entgegnet werden, sondern es bedürfe der Etablierung neuer, internationaler „Akteure“. Bekanntermaßen schlug sich diese Illusion in den Vorstellungen von Zivil- oder Bürgergesellschaft, von Global Governance und von neuer gesellschaftlicher Vermittlung mittels NGOs nieder. Die Krise der Politik sollte durch die Neu-Erfindung der Politik überwunden werden, wie sich dies etwa Ulrich Beck und Anthony Giddens mit ihrem Projekt einer zweiten Moderne zusammenphantasierten. Als theoretischer Bezugspunkt für diese herbeihalluzinierte Transformation von Politik diente einerseits Hannah Arendt mit ihrer Vorstellung vom Leben in der Polis und andererseits Jürgen Habermas‘ Theorie kommunikativen Handelns.10 Arendt sah in der Sphäre der Politik und der (bürgerlichen) Öffentlichkeit den zentralen Bezugspunkt für eine fortschrittliche und emanzipatorische Perspektive. Jenseits dessen drohe der „Welt“ oder besser Nicht-Welt ein Zustand tierähnlicher Heteronomie. Nach der ersten Geburt in das „nackte Dasein“ der naturhaften Existenz, ist die menschliche Befreiung, so Arendt, an eine zweite, „politische Geburt“ gebunden. Erst durch diesen von jedem Einzelnen zu vollziehenden existentiellen Akt gelange man in die Sphäre des „homo politicus“, jenseits des heteronomen Bereiches der Ökonomie und des Sozialen. Dass Arendt hier nur die übliche Illusion vom souveränen Status der Politik gegenüber der verselbständigten Objektivierung (der Ökonomie) ausdrückt, verhinderte selbstverständlich nicht, einer politikgläubigen Linken als theoretische Referenz zu dienen. Denn es ging im Gegenteil ja gerade darum, an der politischen Form als unhintergehbare Bedingung festhalten zu wollen. Auf das Prekärwerden nationalstaatlicher Politik, der einzig denkbaren Form moderner Politik überhaupt11, folgte schließlich nicht deren grundlegende Kritik und der Ansatz einer Neufundierung sozialer Vermittlung jenseits dieser abstrakten Form12, sondern der Versuch, diese über ihren Zerfall hinaus zu verlängern und eine nochmalige, nicht mehr auf einen nationalen Raum beschränkte ›Geburt der Politik‹ einzuleiten. Im Kreißsaal globalisierter ökonomischer Heteronomie erblickt freilich nicht eine neue Gestalt des „homo politicus“ das Licht der Welt, sondern, wie sich immer deutlicher zeigt, die Figur des „nackten Lebens“ oder des „homo sacer“ (Agamben). Je weniger Menschen noch einen Platz im offiziellen Universum von Arbeit und Nationalstaat finden, desto mehr füllen sich die abgedunkelten Räume dieser »Nacktheit des bloßen Menschseins« (Arendt): die Regionen der betriebswirtschaftlich verbrannten Erde mit ihrer Plünderungsökonomie, mit Bandenkriegen, Elendsarbeit und Elendsmigration, mit Flüchtlingslagern oder Zwangsprostitution. Mit der Sprengung des Bezugsrahmens nationale Souveränität entsteht keineswegs eine neue Polis der Zivilgesellschaft, in der NGOs und transnationale Institutionen im freien und herrschaftslosen Austausch von Argumenten zu neuen Perspektiven der Partizipation finden können. Stattdessen finden sich die Individuen nach wie vor gebannt in die negative Totalität der Warengesellschaft.
Dass eine Windbeutelei wie die Vorstellung einer „Neuerfindung des Politischen“ überhaupt in dieser Breite im gesellschaftlichen Diskurs fruchten konnte, liegt in der Münchhausiade der anderen zentralen Sphäre moderner Verhältnisse, der Ökonomie. Die Fiktion der Rückkehr der Politik korrespondierte mit einer Fiktionalisierung des Kapitals in der kurzen Periode des Kasino-Kapitalismus und der New Economy. Wenn schon die Ökonomie virtuell weiterläuft, d.h. die Arbeitsgesellschaft nur noch durch den Zufluss von nicht rückzahlbaren Krediten funktioniert, wieso dann nicht auch fröhlich die Zukunft der internationalen Bürgergesellschaft anrufen? Doch der Aufschub, den die Virtualisierung des Werts in den 90er Jahren für die unaufgearbeiteten Bezüge der Linken und ihren Antagonismus noch gewährte, ist bereits obsolet. Von den zivilgesellschaftlichen Phrasen bleibt nichts übrig als die Einpassung der NGOs als humanitär-industrieller Komplex in die imperiale Krisenverwaltung unter der Hegemonie der USA. Jenseits einer Arendtschen zweiten Geburt in einen als autonom imaginierten Raum der Politik finden sich die Protagonisten der zweiten Moderne als Helfershelfer des kapitalistischen Krisenmanagements wieder, betraut mit der Aufgabe, bei der Herstellung und Verwaltung der „nackten Existenz“ mit anzupacken. Sie sollen das Dahinvegetieren, die Existenzweise, die der kapitalistische Krisenprozess für immer größere Teile der Menschen noch als einzig mögliche zulässt, mitorganisieren. Auf der von der Warengesellschaft verbrannten Erde, in den Flüchtlings- und Gefangenenlagern oder den Elendsvierteln der Peripherie, kommt die Bürgergesellschaft ohne Bürger, das „nackte Leben“, tatsächlich zu sich. Aus den „neuen Akteuren“ der als autonom phantasierten Sphäre der Politik und der internationalen Zusammenarbeit sind angestellte Pflegekräfte für die erste Geburt des „nackten Lebens“ geworden.

Flüchtlinge und der Muselmann

In dem Widerspruchsfeld zwischen der Würde des „freien“ Willens- und Arbeitssubjekts und der totalen Reduktion zu einer Existenz als „nacktes Leben“ gibt es in den Krisenprozessen mannigfaltige Übergangsformen und verschiedene Zuspitzungen und Grade dieser Entwürdigung.13
In den exkludierten Regionen, wie in den Räumen, in denen sich Eingeschlossenes und Ausgeschlossenes „berühren“, haben wir es in unterschiedlichen Graden mit dem Problem des Rechtssubjekts ohne Recht, des Arbeitssubjekts ohne Arbeit und insgesamt mit der „bloßen Nacktheit des Menschseins“ zu tun. Denn auch wenn große Teile des Globus aus der direkten Beziehung zur abstrakten Allgemeinheit von Geld und Recht herausfallen, so verbleiben sie doch in deren Bannkreis. Die Welt ist weiterhin der Totalität der Warengesellschaft unterworfen, auch wenn für immer mehr nur die Existenz als „Mensch überhaupt“ übrigbleibt, also eigentlich keine. Der nationale Souverän hatte in seiner geschichtlichen Durchsetzung, v.a. in Zeiten gesellschaftlicher Krisensituationen, im Lager eine Extremform der staatlichen Unterwerfung entwickelt und die USA setzen gerade in den gegenwärtigen nationalstaatlichen Zerfallskriegen diesen vermeintlichen Beweis staatlichen Herrschaftsvermögens, wie in Guantanamo, wieder vermehrt ein. Im Lager, dem „Paradigma der Moderne“ (Agamben), wird die Grundkonstitution der Individuen als „nackte Existenz“ gegenüber dem Souverän offen sichtbar. Doch dem Phänomen des Lagers als direktem politischem Ausdruck und als Folge einer Entscheidung des Souveräns ordnet sich eine zweite und heute gewichtigere Erscheinungsform des „bloßen Daseins“ bei. Der Ausschluss als „nacktes Leben“ betrifft letztlich alle, die nicht mehr in den produktiven Verwertungskreislauf der globalisierten Arbeit integrierbar sind und deren nationalstaatliche Bezüge zunehmend prekär werden. Und für alle sichtbar werden die verbliebenen Zentren zunehmend durch Abgrenzung, Ausschluss und Kontrolle von den abgeschriebenen Regionen getrennt, wie dies die zur Festung Europa ausgebaute EU hinlänglich dokumentiert. Gerade aber an den Berührungspunkten, direkt an den Grenzpfählen, die die Zentren errichten und schützen sollen, z.B. in den Auffanglagern, Abschiebeknästen oder an den Außengrenzen, wird deutlich, welche Qualität oder vielmehr Nicht-Qualität die Ausgeschlossenen noch besitzen. Wie es in den Konzentrationslagern verschiedene Abstufungen und Intensitäten des „nackten Lebens“ gab, so auch an den heutigen Kontrollräumen des „bloßen Menschenseins“. Die extremste Form sind wohl die vollgepferchten Elendskähne oder auch LKW-Container, in denen Menschen wortwörtlich nur noch als bloße Biomasse erscheinen. Agamben hat nach dem Zeugnis von KZ-Überlebenden die äußerste Form des „nackten Lebens“ unter der staatlichen Herrschaft und Machtausübung in den kurz vor dem Hungertod stehenden Inhaftierten und zwischen Leben und Tod gezwungenen sog. „Muselmänner“ ausgemacht: „Der Muselmann verkörpert die anthropologische Bedeutung absoluter Macht in besonders radikaler Form. Im Akt des Tötens hebt sie sich selbst auf. Der Tod des anderen beendet das soziale Verhältnis. Durch das Aushungern jedoch gewinnt sie Zeit. Sie errichtet ein drittes Reich zwischen Leben und Tod. Wie der Leichenhaufen dokumentiert der Muselmann den vollkommenen Triumph über den Menschen. Obwohl noch am Leben, ist er eine namenlose Gestalt. In seinem Siechtum verwirklicht sich das Regime“ (Sofsky, zitiert nach Agamben 2003, S. 41).
Nun scheint es, dass die Warengesellschaft in ihrem blinden, wie irrationalen Verlauf es gar nicht mehr nötig hat, die „bloße Nacktheit“ mittels eines herrschaftlichen Souveräns herzustellen, um seine unumschränkte Macht zu dokumentieren. Der Verselbstständigungsprozess der globalen Barbarei produziert mittlerweile völlig ohne staatliche Repression massenhaft „nackte Existenzen“, die im Extremfall der Figur des „Muselmanns“ tatsächlich nahe kommen. Italienische Fischer fanden im Oktober bei Lampedusa eines von ungezählten Flüchtlingsschiffen: „Auf dem Schiffsboden lagen leblose Körper, scheinbar wahllos übereinander gestapelt. Daneben sah man bis aufs Skelett abgemagerte, reglose Gestalten in zerfetzten Kleidern sitzen, welche die Fischer aus schreckverzerrten Augen anstarrten (…). Dann kamen die Männer des Hafenkommandos von Lampedusa und nahmen sich der Flüchtlinge an. Das war keine leichte Sache: Die Matrosen mussten mit Sägen ans Werk gehen, um eine Leiche zu bergen, die im Maschinenraum eingezwängt war. Später entdeckten sie, dass sich unter einem Dutzend weiterer, schon erstarrter Leichname der Körper einer Frau befand, die bei aller Leblosigkeit noch zu atmen schien (…). Freilich ist die Tragödie nichts Neues. Schon im Januar 1997 hatten sizilianische Fischer in ihren Netzen makabre Dinge gefangen: Da tauchten plötzlich Arme, Beine und andere menschliche Gliedmaßen unter den ins Boot gezogenen Fischen auf“ (Süddeutsche Zeitung, 17.10.2003).
Wie erwähnt gibt es im globalen Krisenprozess zahlreiche Übergänge der Entrechtung und Degradierung entlang rassistischer und geschlechtlicher Kriterien. Die extremen Ausnahmen, die in bestimmten Regionen schon keine mehr sind, haben aber nicht den Charakter unerklärbarer Entgleisungen, sondern lassen die verhängnisvolle Grundverfasstheit der warenförmigen Gesellschaft sichtbar werden.

Fußnoten:

1Auch im sprachlichen Ausdruck scheint die Differenz zwischen Mensch und Tier zu verschwimmen: So sah sich die australische Zeitung „The Age“ angesichts der „malträtierten Tiere unvermittelt(!) an das Schicksal der afghanischen Flüchtlinge erinnert“, nur handle es sich diesmal nicht um afghanische, sondern um „saudi-arabische Flüchtlinge(!)“ (http://www.theage.com.au/articles/2003/ 09/23/1064082991895.html). Offenbar ist das Herkunftsland von „MigrantInnen“ für deren Status mittlerweile wichtiger als ihre Gattungszugehörigkeit.

2 Allerdings bezieht sich Arendt letztlich ontologisch auf diese Kategorien der bürgerlichen Form und reflektiert nicht auf deren historische Verortung in der Warengesellschaft.
3 Giorgio Agamben hat in seiner vielbeachteten Arbeit „Homo sacer“ auf diese konstitutionelle Ebene moderner Souveränität aufmerksam gemacht. Siehe dazu Karl-Heinz Wedel: Rechtsform und ‚nacktes Leben‘, in: krisis 27, S. 64-85.
4 B. Traven hat in seinem Roman „Das Totenschiff“ schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die Realität von Staatenlosen literarisch dargestellt.
5 Der Begriff „das Biologische“ bezeichnet keine natürliche Grundeigenschaft, die an sich existiert, sondern drückt eine spezifische und reduktionistische gesellschaftliche Perspektive auf die Natur aus.
6 Siehe Agamben 2004, S. 73f.
7 Siehe Wedel 2003, S. 74-81.
8 Die affirmativen wie kritischen Theoretiker des Ausnahmezustandes, Carl Schmitt aber auch Giorgio Agamben, beziehen diese Auflösung des Rechts auf die Entscheidung eines Souveräns. Durch die Fixierung auf den dezisionistischen Akt verfehlen sie aber eine grundsätzliche Klärung der abstrakten Vermittlungsform bürgerlich-rechtlicher Verhältnisse, die für eine wirksame Kritik der gesellschaftlichen Objektivität und des nackten Lebens unabdingbar ist. Letzteres ist explizit Agambens Ziel, ganz im Gegensatz zu Schmitt.
9 Siehe dazu Karl-Heinz Wedel: Die Höllenfahrt des Selbst, in: krisis 26, S. 72ff.
10Siehe Hierlmeier, S. 134ff.
11 Siehe Ernst Lohoff: Der Tod des sterblichen Gottes, in krisis 19.
12 Die Vereinten Nationen, deren Eckpfeiler die Erklärung der Menschenrechte darstellt, ist und bleibt eben gerade eine Inter-Nationale von einzelnen national konstituierten Mitgliedsstaaten und keine Weltregierung jenseits der Nationalstaaten.

13 Ernst Lohoff spricht in seinem Artikel „Gewaltordnung und Vernichtungslogik“, in: krisis 27, von einer zunehmenden Entbindung des Gewaltkerns der modernen Subjekte.

Literatur:

Agamben, Giorgio (2002): Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben; Frankfurt am Main.

Agamben, Giorgio (2003a): Das Offene. Der Mensch und das Tier; Frankfurt am Main.

Agamben, Giorgio (2003b): Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge; Frankfurt am Main.

Agamben, Giorgio (2004): Ausnahmezustand; Frankfurt am Main.

Arendt, Hannah (2001): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft; München.

Benjamin, Walter (2003): Zit. nach Paschukanis, Eugen; Allgemeine Rechtslehre und Marxismus; Freiburg.

Benjamin, Walter (1965): Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze; Frankfurt am Main.

De Sade, Marquise (1999, zuerst 1905): Die hundertzwanzig Tage von Sodom oder Die Schule der Ausschweifung; München.

Hierlmeier, Josef (2002): Internationalismus: eine Einführung in die Ideengeschichte des Internationalismus; von Vietnam bis Genua; Stuttgart.

Marx, Karl (1983): Zur Judenfrage; in: MEW, Bd. 1; Berlin.

Postone, Moishe (2003): Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft. Eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx; Freiburg.

Schandl, Franz (1994): Kapital, Emanzipation & der Menschen Rechte; in: Juridikum, Nr. 5.