31.12.1993 

Fragmente zur Selbstkritik der Männlichkeit

Norbert Trenkle

Im Gefolge der Frauenbewegung hat in den letzten zwanzig Jahren auch eine Minorität von Männern damit begonnen, die hierarchische Geschlechterstruktur der bürgerlichen Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen. Von einer »Männerbewegung« zu sprechen, wäre sicherlich übertrieben, doch läßt sich kaum leugnen, daß auch Männer zunehmend an dem Zwang und an der Gewaltsamkeit der polaren psycho-sexuellen Zuschreibungen leiden und dagegen aufbegehren. Die männliche Selbstkritik, wie sie in diesem Zusammenhang formuliert wurde, war der Linken in ihrer großen Mehrheit immer durch und durch suspekt. Bestenfalls hat sie diese Selbstkritik als eine Art Ablenkung von der »eigentlichen Aufgabe«, nämlich der Bekämpfung »des Kapitals« und seiner Repräsentanten, abgetan. So sehr dies das linke Denken in seiner Beschränktheit peinlich entlarvt, so wenig hatte doch die »männerbewegte« Strömung dem entgegenzusetzen. Im großen und ganzen war und ist sie nicht viel mehr als eine Ansammlung ziemlich isoliert arbeitender Selbsterfahrungsgruppen, die sich in falschverstandener Abkehr von Rationalismus und »Sachlichkeit« der traditionellen bürgerlichen Männerrolle jeglichem übergreifenden kritisch-theoretischen Denken gegenüber ablehnend verhalten.

Nun möchte ich mich keineswegs prinzipiell gegen eine kritische persönliche Selbstreflexion wenden, denn Subjektivität ist nichts der Basisstruktur der bürgerlich-patriarchalen Gesellschaft Fremdes oder Äußerliches, sondern selbst konstitutiver Bestandteil davon. Deshalb schließt die Aufhebung dieser Struktur zwingend einen Prozeß der kritischen Selbstbewußtwerdung und Selbstveränderung der männlichen (und weiblichen) Individuen mit ein. Der Anspruch, den abstrakten Gegensatz von »Privatem« und »Politischem« aufzuheben, wie ihn insbesondere die Frauenbewegung erhoben hat, ist völlig richtig, auch wenn er bisher nie wirklich eingelöst werden konnte. »Männergruppen« und ähnliche Ansätze stehen also, trotz ihrer relativen Beschränktheit, nicht per se im Gegensatz zu einer übergreifenden Gesellschaftskritik, doch gibt es bisher nur wenige ernstzunehmende Versuche, eine Brücke zu schlagen, und auch diese Versuche beschränken sich meist darauf, das Moment der Selbstveränderung durch zusätzliche politisch-institutionelle Forderungen bloß äußerlich zu ergänzen.

Wenn ich mich im folgenden vom Unmittelbarkeits- und Subjektfetischismus der »Männerbewegung« abstoße, so geschieht dies keinesfalls, wie hoffentlich klar werden wird, um eine Lanze für den längst abgewirtschafteten Politizismus zu brechen. Vielmehr geht es mir darum, die Aporien der einschlägigen männlichen Selbstkritik herauszuarbeiten und zu zeigen, daß diese zu kurz greift, nicht weil sie weitgehend politikabstinent bleibt, sondern deshalb, weil sie den männlichen Autonomiewahn und die ihm zugrundeliegende Subjektform nicht wirklich konsequent in Frage stellt. Ich muß ein wenig ausholen, um diese These zu begründen.

1. Die bürgerlich-männliche Subjektivität – ein modernes abendländisches Phänomen

Nichts erscheint uns Modernen (zumindest uns modernen Männern) selbstverständlicher, als uns in der Form des autonomen, in sich selbst ruhenden und in letzter Instanz nur sich selbst verantwortlichen Ichs zu definieren. Dies selbst dann und gerade dort noch, wo wir uns mit sogenannten Identitätsstörungen herumplagen, die letztlich nichts anderes sind, als das manifeste Leiden an der praktischen Unmöglichkeit, dem Autonomiediktat nachzukommen. Es ist allerdings keinesfalls so, daß diese uns so selbstverständlich gewordene Subjektform eine »anthropologische Konstante« wäre, wie dies zumindest implizit meist unterstellt wird. Ganz im Gegenteil, es handelt sich dabei um ein Spezifikum einzig und allein der abendländischen Zivilisation, und es ist nur Ausdruck für deren bornierten Eurozentrismus, daß sie dies nicht wirklich wahrhaben will. Alle anderen nicht-warenförmig konstituierten Gesellschaften und Kulturen kennen eine solche abstrakte Ich-Identität genausowenig, wie sie die Welt dichotomisch in die Gegensätze von Subjekt und Objekt, Ratio und Sinnlichkeit, Geist und Natur, Stoff und Form etc. aufspalten. Wie Isolde Demele in ihrer Untersuchung »Abstraktes Denken und Entwicklung« (Frankfurt/M. 1988) feststellt, gibt es in dieser Hinsicht weit größere Übereinstimmungen zwischen zeitlich und geographisch weit auseinanderliegenden »traditionalen Gesellschaften« als zwischen diesen und der westlich-warenförmigen Kultur. So kennen beispielsweise »traditionale Gesellschaften« in der Regel keinen besonderen Ausdruck für das Wort »Ich« oder »Du«, und dies gilt für so unterschiedliche Sprachen wie das Vietnamesische, die Sprache der Hopi-Indianer oder die Bantu-Sprachen Ostafrikas.

Über letzere schreibt Demele: »Die Einteilung der Substantive erfolgt nicht nach grammatikalischem Geschlecht, sondern nach Klassen, die Eigenschaften der Dinge und Lebewesen ausdrücken – belebt, unbelebt, groß, klein, doppelt vorhanden etc.. Der Mensch wird in dieser Einteilung nicht als Besonderheit hervorgehoben, sondern kann in verschiedene Klassen eingereiht werden. Z.B. werden Menschen mit Gebrechen in andere Klassen eingereiht als Menschen ohne Gebrechen, ebenso Namen von Personen mit einem besonderen Status, während in der eigentlichen Klasse für Personen auch Flüsse, einige Tiere und zahlreiche andere Substantive gruppiert werden. Ebenso wie in der Sprache der Vietnamesen und der Hopi-Indianer fehlen hier Verben wie “”sein” und “”haben” und werden durch Verbalisierung anderer Wortarten … ausgedrückt. […] Ausdrücke, die für Personalpronomina stehen, sind nicht abstrakte Bezeichnungen für mit sich selbst identische Subjekte: das Wort “”mina” für “”ich” bezeichnet die “”Person” die spricht – Person muß jedoch nicht ein Mensch sein, es kann ebensogut ein irrationales Wesen sein, Pflanzen, Unbelebtes, Flüssigkeiten und vieles mehr«(1).

Traditionale Gesellschaften haben das, was man eine Kollektiv- oder Gemeinschaftsidentität nennen könnte. Die Menschen definieren sich nicht als Einzelwesen in Abgrenzung zu anderen Einzelwesen, so wie wir dies gewohnt sind, sondern sie denken sich immer schon als Teil eines geschlossenen sozialen und religiös-kulturellen Ganzen. Wenn sie von sich sprechen, tun sie das immer in Relation zu ihrem Lebenszusammenhang, und dies ist der Grund dafür, daß sie keine gesonderten abstrakten Ausdrücke für die Bezeichnung des »Ich« und des »Du« benötigen. Sie partizipieren an der kollektiven Selbstdefinition ihrer Stammesgemeinschaft, die im übrigen ganz selbstverständlich nicht nur die Lebenden sondern, auch die Verstorbenen miteinschließt.

Wenn beispielsweise die nordwestamerikanischen Indianer vom Stamm der Tlingit beim Potlatsch-Ritual zu ihren Gästen sagen: »Wir, die wir hier für euch tanzen, sind nicht wirklich wir. Es sind unsere vor langem gestorbenen Onkel, die hier tanzen«(2) – wenn sie dies sagen, dann ist es durchaus wörtlich zu nehmen. Auch wenn die Tanzenden wissen, daß es eine Differenz zwischen ihrer Person und der der »Onkels« gibt, so können wir doch davon ausgehen, daß sie sich nicht bloß in deren »Rolle versetzen«, wie wir Modernen dies in einem Theaterstück oder zur Untermalung einer Erzählung tun würden, sondern eine tiefere Identität empfinden, die darin gründet, daß die »Onkels« in allen Gegenständen und Handlungen des Alltags gewissermaßen präsent sind.(3) Selbst die Produkte des täglichen Lebens, wie etwa die Nahrung, sind nicht einfach nur das Ergebnis der geistigen und körperlichen Anstrengung dessen, der sie gejagt, gesammelt oder angepflanzt hat, auch hier hatten die Vorfahren ihre Hand mit im Spiel. So sagt etwa bei den Neukaledoniern der Ausrufer zu Beginn des zeremoniellen Festmahls, die Geister der Vorfahren ließen auf die Nahrung »die Wirkung ihres Tuns und ihre Kraft … herabfallen. […] Das Ergebnis der Handlung, die ihr vollzogen habt, erscheint heute«(4).

Alle Gegenstände entspringen dieser Vorstellung gemäß unmittelbar dem Wirken des Ganzen – ja, sie sind nicht einmal einfache »Dinge«, sondern selbst mit Leben erfüllt.(5) So berichtet Marcel Mauss von den Tlingit-Indianern folgendes: »Häuser, Balken und ausgeschmückte Wände – sie alle sind Lebewesen. Alles spricht: das Dach, das Feuer, die Schnitzereien und Malereien; denn das magische Haus wurde nicht allein von dem Häuptling oder seinen Leuten oder den Leuten der entgegengesetzten Phratrie errichtet, sondern auch von den Göttern und Vorfahren; das Haus persönlich empfängt Geister und junge Initiierte oder speit sie aus«(6).

Der Kontrast zur bürgerlich-männlichen Ich-Subjektivität könnte kaum deutlicher sein.(7) Obwohl das bürgerliche Individuum natürlich auch durch und durch von seinem gesellschaftlichen Fetischzusammenhang konstituiert ist – nicht anders als die Tlingit oder die Neukaledonier – , definiert es sich selbst nicht in der Identifikation mit diesem, sondern in der Abgrenzung davon. Gerade darin erweist es sich allerdings paradoxerweise als damit identisch. Es stellt den realen Konstitutionszusammenhang auf den Kopf und betrachtet sich selbst als das Apriori, als ein vor jeglicher Gesellschaftlichkeit existierendes Wesen. Die Gesellschaft dagegen erscheint der modernen Ich-Subjektivität als eine ihrem Wesen nach abgeleitete Struktur, auch wenn diese jedem Einzelnen empirisch vorausgesetzt ist, insofern er sie bereits vorfindet, wenn er geboren wird.(8) Seinen Höhepunkt findet dies in der weiterbreiteten Vorstellung, man könnte jederzeit in eine andere Gesellschaft oder Kultur hinüberwechseln, wenn man nur wollte.

Diese Selbstdefinition als ein dem Vergesellschaftungszusammenhang vorausgesetztes abstraktes »Ich«, so sehr sie uns als selbstverständlich erscheinen mag, ist aber in höchstem Maße absurd. Mehr noch, sie ist in sich leer oder, was dasselbe ist, tautologisch. Das »Ich« definiert sich über sich selbst, setzt also das bereits voraus, was eigentlich zu erklären wäre: »Ich denke, also bin ich« oder, in der Version des modernen Alltagsverstandes: »Ich bin Ich«. Es liegt im Wesen der abstrakten Ich-Identität, daß sie sich völlig selbstverständlich als das universelle Modell menschlicher Subjektivität schlechthin definiert.(9) Betrachten wir sie jedoch als das, was sie realiter ist, nämlich als Sonderfall in der Menschheitsgeschichte, dann müssen wir uns die Frage stellen, was denn diesem höchst eigenartigen menschlichen Selbstverständnis zugrunde liegt.

2. Wertform und abstrakte männliche Ich-Identität

Wir können diese Frage beantworten, wenn wir uns der Keimzelle der bürgerlichen Gesellschaft zuwenden, dem Wert oder der Ware. Aus der Perspektive der herrschenden positivistischen Sozialwissenschaft ebenso wie aus der des klassischen Marxismus handelt es sich dabei um eine bloße »ökonomische Kategorie«, und diese hätte demnach mit dem Problem, das uns hier beschäftigt, dem der Subjektivität und der Geschlechterdichotomie nämlich, nicht viel zu tun. Tatsächlich aber ist die Wert- oder Warenform weit mehr als dies. Sie ist eine Art und Weise, wie Menschen miteinander in Beziehung treten, ein Formprinzip, eine Basisstruktur, die allen sozialen Kategorien und jedem menschlichen Agieren in der bürgerlichen Gesellschaft immer schon vorausgesetzt ist. Indem sie den gesellschaftlichen Zusammenhang in lauter konkurrierende Käufer-, Verkäufer- und Arbeitsmonaden zerreißt, konstituiert sie ein »sachliches Verhältnis der Personen« und »ein gesellschaftliches Verhältnis der Sachen« (Marx).

Als Basisstruktur ist die Wertform natürlich nicht einfach empirisch faßbar wie etwa ein Federhalter, eine Babywindel oder ein Wiener Schnitzel. Sie ist in den Dingen und vor allem in den Menschen selbst und ihren Beziehungen untereinander gewissermaßen unsichtbar vergegenständlicht – unsichtbar auch deshalb, weil sie uns so selbstverständlich geworden, so sehr in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß wir sie normalerweise einfach nicht mehr wahrnehmen. Es fällt aber sofort auf, daß die abstrakte Ich-Identität des bürgerlichen Subjekts die Wert- oder Warenform reflektiert. Der Wert oder sein dinglicher Repräsentant, das Geld, hat an sich selbst keine Qualität, besitzt nichts Stoffliches oder Konkretes; seinem Wesen nach ist er reine abstrakte Quantität, und diesem Wesen entspricht ein tautologischer Selbstbezug(10) – als qualitätslose Quantität findet das Geld einen »Sinn« nur darin, daß es sich unendlich und rastlos vermehrt, aus Geld mehr Geld macht. Gerade wegen seiner Inhaltsleere kann sich der Wert aber jedes beliebigen Stoffs bedienen. Mehr noch: er kann nicht nur, er muß dies sogar tun, denn um sich in der sinnlichen Wirklichkeit reproduzieren zu können, ist er auf stoffliche Träger angewiesen. Diese sind ihm aber immer bloß Mittel; jeglichem bestimmten Inhalt oder Zweck gegenüber verhält sich der Wert gleichgültig. Die Bewegung findet um der Verwertung willen oder – was dasselbe ist – um der Bewegung willen statt. Und es ist diese Gleichgültigkeit gegenüber jeglichem Stofflich-Sinnlichen, die dem Wert jene unheimliche Kraft verliehen hat, alle traditionellen Gemeinwesen aufzulösen und seinem abstrakten Vernutzungsdiktat zu unterwerfen.

Es sind vor allem Untersuchungen von Alfred Sohn-Rethel und Rudolf Wolfgang Müller(11) gewesen, die den logisch-historischen Zusammenhang zwischen der Herausbildung des Geldes in der griechischen Antike und der Genesis von abstraktem Denken (in Form von Philosophie und Logik) und bürgerlicher Ich-Identität aufgezeigt haben. Allerdings blieb bei ihnen die Frage nach der geschlechtlichen Besetzung dieser Denk- und Bewußtseinsformen ausgeblendet. Doch ist es kein Zufall, daß neben dem Prototyp des bürgerlichen Individuums auch die abendländischen Geschlechterstereotype ihren Ursprung in den antiken Anfängen der Warengesellschaft haben, und daß die Bestimmungen des männlichen Geschlechtscharakters – Leistungsfetischismus, Rationalismus, Härte etc. – sich so haargenau mit den Anforderungen decken, die der kapitalistische Zusammenhang an die Konkurrenzsubjekte stellt. So wenig die abstrakte Ich-Subjektivität des westlichen Individuums interkulturelle Gültigkeit hat, so wenig ist sie derart geschlechtsneutral, wie sie sich geriert. Im Gegenteil: gerade der Schein von Geschlechtsneutralität, der dem Geld und der von ihm konstituierten Subjektivität anhaftet, ist Ausdruck einer ganz spezifischen Unterordnung der als »weiblich« definierten menschlichen Anteile, die nicht in der Logik der Warenwelt aufgehen. Der Aufschwung von abstraktem Denken und abstrakter Ich-Identität geht Hand in Hand mit der Verdrängung und Unterdrückung von Sinnlichkeit, und wo der Mann sich von nun an als Inkarnation des Geistes begreift, da zwangsdefiniert er die Frau zum minderbemittelten Naturwesen.(12)

Abendländische »Männlichkeit« und »Bürgerlichkeit« sind also eins, oder anders ausgedrückt: das bürgerliche Individuum ist seiner Grundstruktur nach »männlich« definiert. Wie das Geld in seiner tautologischen Selbstbewegung der Akkumulation abstrakter Quantität scheinbar unabhängig von jeglicher Stofflichkeit ist, so erliegt auch das männlich-bürgerliche Subjekt dem Wahn, als reine abstrakte Geist- oder Arbeitsmonade abgetrennt von seiner verleugneten Sinnlichkeit existieren zu können. Und wie das Geld, gerade weil es von jeglicher Qualität abstrahiert, der stofflich-sinnlichen Wirklichkeit Gewalt antut, indem es diese zum beliebigen Material seiner Selbstverwertung degradiert, so liegt auch im Autarkie- und Subjektwahn des männlichen Geistes der Schlüssel zu aller Gewalttätigkeit des abendländischen Patriarchats.

Die männlich-bürgerliche Subjektivität ist im doppelten Sinne negativ. Negativ, weil sie nur in der Abgrenzung »Ich« zu sagen weiß, also an sich selbst leer ist, und negativ, weil diese Leere um den Preis von Gewalttätigkeit und Destruktivität erkauft wird. Diese Gewalttätigkeit richtet sich sowohl nach innen, in der Zurichtung und Entsinnlichung des eigenen Ichs, als auch und vor allem nach außen, als Unterdrückung und Zerstörung des mit dem Verdrängten identifizierten »Weiblichen« und »Natürlichen« (einschließlich der als solche definierten »Naturvölker«). Schließlich aber findet sie auch im Kampf des Jeder-gegen-jeden der männlich-bürgerlichen Subjekte untereinander ihren allgegenwärtigen Ausdruck.

Diese strukturelle Gewalttätigkeit ist nicht dadurch aufgehoben, daß sie sich »zivilgesellschaftlich« domestiziert gibt. In den geordneten Bahnen staatlich überwachter und regulierter Marktkonkurrenz lebt sie nicht nur mit unverminderter Härte fort, erst hier findet sie die ihr adäquate Form. Schon die gewaltige Dynamik, die die bürgerliche Gesellschaft entfaltet, verweist auf den beständigen Kampf mit dem Verdrängten. Allerdings kann sie die Gewalttätigkeit nicht als ihr ureigenstes Wesen anerkennen, ohne sich selbst in Frage zu stellen, und daher definiert sie diesen Kampf in die Domestizierung einer angeblich ursprünglichen menschlichen Wildheit um. Dies erklärt auch den missionarischen Eifer, mit dem die bürgerlich-männlichen Subjekte ihre »zivilisatorische Mission« vorangetrieben haben. Wo die bürgerliche Vergesellschaftung als die zwar nicht perfekte, dennoch aber einzig mögliche Form erscheint, die Menschheit in den Zustand der Friedfertigkeit und Humanität zu überführen, rechtfertigt sich auch schon mal die Ausrottung derjenigen, die dies partout nicht einsehen wollen.

Doch wie labil dieses Selbstbild ist und wie mächtig der brodelnde Untergrund, erweist sich auf furchterregende Art und Weise gerade jetzt, wo die Risse im Fundament der kapitalistischen Normalität unübersehbar werden. Plötzlich lugt das mühsam Verdrängte wieder an allen Ecken und Enden hervor, und geradezu hysterisch wehrt sich die bürgerlich-männliche Vernunft (ganz besonders in der Gestalt demokratisch bekehrter Altlinker) gegen die Einsicht, daß sie es hier mit sich selbst zu tun bekommt. In ihrer hartnäckig verteidigten Lebenslüge kommen die Gewaltausbrüche natürlich immer nur von den »anderen«, nämlich von religösen oder nationalistischen Fanatikern, Geschädigten des Realsozialismus oder pubertierenden Jugendlichen, die unzureichend demokratisch sozialisiert worden sind und noch zur »Vernunft« gebracht werden müssen. Aber genau diese »Vernunft«, die freischwebende Rationalität des abendländischen Mannes, ist die eigentliche Quelle des Übels. Insofern sind die gegenwärtigen Gewaltausbrüche nicht einem Zuwenig, sondern einem Zuviel an abstrakter »Vernünftigkeit« und »Aufklärung« geschuldet.(13) Sie verweisen auf das Irrewerden der Männlichkeit an sich selbst.

3. Die männliche Hegemoniestruktur

Die reflektiertere Männlichkeitskritik erklärt die Geschlechterhierarchie in der bürgerlichen Gesellschaft nicht als Produkt des blanken männlichen Herrschaftswillens, sondern geht von einer gesellschaftlichen Struktur aus, die den einzelnen Männern vorausgesetzt ist und auch gegen deren individuelles Wollen wirksam wird.(14) Mehr noch: Diese Struktur, so wird zu recht festgestellt, wirkt nicht nur Frauen gegenüber gewaltsam, sondern zwängt auch die Männer in einen Panzer, wiewohl sich diese »binnenstrukturell« in einer insgesamt superioren Position befinden. Walter Hollstein drückt es in seinem Buch Nicht Herrscher, aber kräftig folgendermaßen aus: »Es gibt den Mann als Individuum in seiner konkreten Persönlichkeit, und es gibt die männliche Hegemonie in ihrer gesellschaftlichen Allgemeinheit. Der Mann als Individuum ist dabei der männlichen Hegemonie als historisch gewachsenem Prinzip unterworfen«(15). Über die Entstehung der »gesellschaftlichen Superstruktur« (Hollstein) männlicher Prädominanz werden dabei die unterschiedlichsten Spekulationen angestellt. Sehr beliebt ist es, sie aus der Funktionsteilung in der »Urgesellschaft« herzuleiten, die den Männern den Part von Jägern und Kriegern zugewiesen habe(16); parallel oder ergänzend dazu wird auch gerne die These vom angeblichen und quasi-ontologischen Gebärneid der Männer aufgestellt. Wie auch immer aber diese Mutmaßungen im einzelnen aussehen mögen(17), fast durchgängig verorten sie den Ursprung der bestehenden Geschlechterhierarchie in einer unergründlichen grauen Vorzeit und können jedenfalls keinerlei konstitutiven Zusammenhang zwischen dieser und der wertförmigen Basis der bürgerlichen Gesellschaft ausmachen. Das System der männlichen Hegemonie erscheint als der Wertvergesellschaftung vorausgesetzt, als bestenfalls von ihr überlagert und in einem bloß äußerlichen Zusammenhang mit ihr stehend. Irgendwann und irgendwie sei es in der »Urgesellschaft« entstanden, habe sich dann von Generation zu Generation tradiert und dabei aus einer Art innerer Selbstbestätigung heraus immer weiter verfestigt. Lassen wir noch einmal Walter Hollstein zu Wort kommen: »Wir müssen davon ausgehen, daß es ein gesellschaftliches Ganzes gibt, das für Männer und Frauen entsprechend ihren jeweiligen sozialen Positionen spezifische Handlungsanweisungen bereithält. Dieses Ganze hat sich im Laufe der Geschichte gefestigt und einstmals persönliche Abhängigkeiten durch >Sachzwänge< ersetzt, also objektiviert«(18).

Hollstein (der hier exemplarisch für viele andere steht) wirft dabei zwei Problemebenen durcheinander, die analytisch klar unterschieden werden müssen. Zum einen die Tatsache, daß alle bisherigen menschlichen Kulturen fast durchgängig irgendeine Art sozialer Konstrukte von Geschlechtlichkeit hervorgebracht haben, und zum anderen die spezifische Form dieser Konstrukte in der bürgerlich-warenförmigen Gesellschaft. Diese Unterscheidung zu machen, dafür spricht schon rein empirisch, daß die geschlechtlichen Zuschreibungen interkulturell sehr unterschiedlich und teilweise sogar konträr ausfallen, und keinesfalls immer auch eine Geschlechterhierarchie konstituieren. Allerdings zeugt die Tatsache, daß überhaupt soziale Kategorisierungen an einem primären biologischen Merkmal festgemacht und dann als natürlich oder quasi-natürlich angesehen werden, davon, daß alle bisherigen Gesellschaften nie an den Punkt gelangt sind, sich bewußt und selbstreflexiv zu sich selbst zu verhalten. In dieser Hinsicht stellt auch die bürgerliche Gesellschaft, entgegen ihrem eigenen »aufgeklärten« Selbstverständnis, keine Ausnahme dar. Sie ist zunächst einmal nicht mehr als eine bestimmte Form von Fetischismus, insofern den Menschen die Produkte ihres eigenen Kopfes als »zweite Natur« gegenübertreten und sie beherrschen(19), und doch unterscheidet sie sich von den ihr vorangegangenen Fetischismen auch in bezug auf das Geschlechterverhältnis. Damit ist kein Werturteil ausgesprochen, auch wenn die Selbstdistanz, die die Warenform produziert, eine Aufhebung des Zustandes der gesellschaftlichen Bewußtlosigkeit in den Bereich des Möglichen rückt. Auf jeden Fall müssen aber die Spezifika der warenförmigen Konstellation klar erkannt werden, wenn wir uns der Aufgabe stellen wollen, sie aus den Angeln zu heben. Das (im übrigen sehr aufklärerische) evolutionistische Weltbild, wie es uns beispielsweise Hollstein vorführt, verkennt die Brüche innerhalb der fetischistischen Kontinuität der, wie Marx es ausdrückt, »menschlichen Vorgeschichte«. In ihm läuft alles, im Positiven wie im Negativen, auf den bürgerlichen Endzustand hinaus, weshalb dieser letztlich auch unaufhebbar scheint und bestenfalls »reformiert« werden kann.

Die »männerbewegte« Selbstkritik der Männlichkeit (ebenso übrigens wie der größte Teil des feministischen Diskurses) mogelt sich um das Problem herum, den konstitutiven Zusammenhang zwischen warenförmiger Basisstruktur und bürgerlicher Geschlechterdichotomie zu bestimmen. Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, wenn ihr die abstrakte Ich-Identität des männlichen Individuums zumindest implizit als geschlechtsneutral erscheint. Die bürgerliche Subjektform wird so behandelt, als sei sie nicht schon per se männlich, sondern bloß einseitig-männlich besetzt. Während sich die Kritik zwar gegen die verschiedenen Attribute von Männlichkeit (Coolnes, Panzer-Ich etc.) richtet, verschont sie systematisch den abstrakten Ich-Kern, der offenbar als ontisches Apriori des Menschseins überhaupt vorausgesetzt wird. Insofern ist es auch nur konsequent, daß es letztlich als eine Angelegheit des bloßen Wollens erscheint, ob sich die männlich überformten Ichs für oder gegen ihre einseitige Geschlechtsdeterminiertheit entscheiden. Wenn sie es nicht tun, dann deshalb, weil sie um den Verlust ihrer Hegemonieposition fürchten: »Die etablierten Männer … behindern bzw. blockieren in ihrer Angst vor Machtverlust die notwendige männliche Veränderung. […] Eingefahrene Muster lassen die(se) Möglichkeiten des Lebensgewinns und des Zuwachses an Lebensqualität, die Chance einer Überwindung des männlichen >Halbmenschentums< (H.E. Richter) nicht wahrnehmen. Die Angst vor Machtverlust wirkt stärker«(20).

Natürlich ist im Zeitalter der Therapiegesellschaft niemand mehr so naiv, zu meinen, die geschlechtliche Konstituiertheit ließe sich per einfachen Willensentscheid ablegen wie eine Unterhose. Das aufgeklärte spätkapitalistische Individuum weiß, daß die Geschlechterstereotype in der kulturellen, sozialen und ökonomischen Organisation der Gesellschaft objektiviert sind, und daß es die eigene psycho-sexuelle Identität tief internalisiert hat. Doch auch wenn deshalb der Prozeß der Emanzipation langwierig sein kann und viel individuelle Anstrengung erfordern sollte, traut es sich doch zu, seinen Ich-Kern aus der Umklammerung der patriarchalen Strukturen zu befreien. Die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte, die alle bisherigen Selbstverständnisse geschlechtlicher Rollenverteilung in Frage gestellt hat, bestätigt das kritische Bewußtsein noch in dieser Auffassung. Beweist dies nicht, daß die Subjekte sich gegenüber der Gewalt der patriarchalen Strukturen behaupten können? Wenn das moderne Individuum zwischen den verschiedensten gesellschaftlichen Angeboten und Funktionen hin- und herwechselt, ja sich geradezu über seine Beweglichkeit und Flexibilität definiert, kann es dann nicht auch die Geschlechterschranke überspringen?

Der ebenso alte wie unfruchtbare Streit darüber, ob die gesellschaftlichen Strukturen das Subjekt total determinieren oder nicht, scheint damit prinzipiell zugunsten des Subjekts entschieden. So mächtig die Strukturen auch sein mögen, lautet der Befund, die Autonomie des Subjekts bleibt erhalten (die dazugehörige resignative Stammtischweisheit heißt: Die meisten Menschen sind einfach zu bequem). Der Streit zwischen »Strukturalisten« und den Verteidigern des Subjekts bewegte sich jedoch immer schon in einem Scheingegensatz, denn beide Seiten setzten stillschweigend die Dichotomie von Willenssubjekt einerseits und gesellschaftlicher Struktur andererseits voraus. Tatsächlich verweist aber gerade diese Autonomie oder der abstrakt-freie Wille der (männlichen) Subjekte auf das Wesen der warenförmigen Vergesellschaftung; und insofern spricht die Beweglichkeit der modernen Individuen gegenüber den einzelnen Bestimmungen ihrer Existenz nicht gegen, sondern für das Wirken einer ihnen vorausgesetzten und nicht mehr hinterfragten sozialen Struktur. Man könnte sogar pointiert sagen, daß diese Beweglichkeit, die die rastlose tautologische Selbstbewegung des Werts in seinem unstillbaren Drang nach Verwertung reflektiert, die Struktur ist .

Diese »Beweglichkeit« ist allerdings ihrer inneren Logik nach männlich. Und zwar in dem doppelten Sinne, daß es die Beweglichkeit der männlichen Subjekte ist und daß sie auf das Spektrum der Wahlmöglichkeiten innerhalb des männlichen Universums bezogen bleibt. Innerhalb dieses Universums erscheint alles als machbar, vorausgesetzt, die notwendige Willenskraft und eine gewisse Hartnäckigkeit sind vorhanden. Gerade weil sich die Individuen bloß über einen abstrakten Ich-Kern definieren, vermögen sie sich prinzipiell von ihrer jeweils bestimmten Existenz zu distanzieren. Sie können sich dieses »Ich« ausgestattet mit den unterschiedlichsten Attributen und in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Rollen und Funktionen vorstellen; und auch wenn sie diesen Flexibilitäts- und Machbarkeitswahn häufig bloß in Tagträumereien oder in den Scheinwelten der Freizeitindustrie ausleben, ist er nichtsdestoweniger bewußtseinskonstituierend.

Das offene Geheimnis der männlichen Beweglichkeit ist allerdings die darauf bezogene weibliche Anpassungsfähigkeit und -willigkeit. Die Frau stellt in dieser Konstellation den ruhenden Pol, die »Erdung« dar. Sie bewegt sich nicht aus sich selbst heraus, sondern nur in bezug auf die »Selbstverwirklichung« oder, wie es Georg Simmel ausdrückte, auf die »Selbstentäußerung« des Mannes: »Wir empfinden die Frau nicht so sehr unter der Idee des Werdens, als der des Seins – so unbestimmt und nur von fernher andeutend dieser Begriff auch sei. Aber das Einheitliche, Naturhafte, In-sich-Gesammelte, wodurch das weibliche Wesen sich vom männlichen abhebt, findet wohl so seine abstrakteste Kategorie. Seinen >Gegenentwurf< aber, und damit jene Balance der allgemein menschlichen Existenz, findet es in dem Charakter der weiblichen Tätigkeitsinhalte: die ein Verfließendes und dem einzelnen Hingegebenes sind, ein mit der Forderung des Augenblicks Werdendes und Vergehendes, nicht ein Bauen an einer in irgendeinem Sinn bleibenden, überpersonalen Kulturwelt, sondern ein Dienen an den Tagen und an den Personen, die diesen Bau sich erheben lassen«(21).

Natürlich ist hier zunächst einmal nur das idealtypische Bild des bürgerlichen Geschlechterverhältnisses beschrieben. Doch welche Relevanz dieses Bild in der sozialen Wirklichkeit hatte und zum Teil noch immer hat, zeigt sich schon daran, daß das von Simmel harmonistisch verklärte Gleichgewicht gründlich aus den Fugen geraten ist, seit die Frauen den universalistisch-geschlechtsneutralen Anspruch des bügerlich-männlichen Subjektbegriffs gewissermaßen beim Wort nehmen und den Subjektstatus auch für sich reklamieren. Mit einem Mal wird die »Beweglichkeit« an sich selbst irre, denn ohne die Grundlage des »weiblichen Seins« verliert sie den Halt. Der Wechsel zwischen den Geschlechterpolen war im verborgenen Drehbuch der bürgerlichen Subjektform nicht vorgesehen, und wenn er nun partiell praktiziert wird, dann heißt dies nichts anderes, als daß diese Subjektform selbst in eine fundamentale Krise geraten ist. Während die Frauen in ihrer übergroßen Mehrheit nie richtig in sie hineinkommen, weil niemand da wäre, der für ihre »Erdung« sorgen würde, geraten die Männer ins Schleudern, weil ihnen der weibliche Rückhalt verlorengeht.

4. Narzißtische Ganzheitlichkeitsphantasien und die Rückkehr des Mannes

Die »männerbewegte« Männlichkeitskritik hat die Tiefendimension dieser Entwicklung bisher nicht erkannt. Das Brüchigwerden der männlichen Identität dechiffriert sie keinesfalls als Krise der bürgerlichen Subjektform überhaupt, es erscheint ihr vielmehr als Schritt in Richtung auf ein »ganzheitliches« und nicht mehr »männlich halbiertes« Ich. Die von vielen Autoren völlig zu recht geübte Kritik am Autonomiewahn des männlich-bürgerlichen Individuums erweist sich so letztlich als halbherzig, denn zwar betont sie immer wieder, daß die Autarkie oder Autonomie des Mannes bloßer Schein ist, weil nur auf dem Rücken der Frauen möglich, doch stellt sie in der Regel die zugrundeliegende abstrakte Ich-Identität selbst nicht in Frage. Stattdessen erhebt sie den Anspruch, an die Stelle der »bloß scheinbaren« nun die »wirkliche«, »entfaltete« Autonomie zu setzen, die nicht mehr mit dem Makel der einseitigen Geschlechtlichkeit behaftet wäre. Die Männer müßten demzufolge damit beginnen, sich ihre »weiblichen Anteile« anzueignen und sich auf diese Weise vom »verkrüppelten« zum »ganzen« oder »vollen« Menschen zu entwicklen; sie müßten sich aus der emotionalen Abhängigkeit von der Frau lösen, sich vom Angewiesensein auf die weibliche Fürsorge emanzipieren, sich gewissermaßen selbst »erden«. Erst aus dieser Position der »wirklichen Autonomie« heraus wären sie dann auch in der Lage, Beziehungen von Mensch zu Mensch einzugehen, und zwar sowohl zu Frauen als auch untereinander: »Die bewußte Hinwendung des Mannes zu seiner Anima erlaubt ihm seine menschliche Ganzheit. Spaltet er hingegen seine weiblichen Seiten von sich ab, gerät er in eine einseitige Entwicklung von Maskulinität, die ihn lähmt und vor allem einengt. Indem er das weibliche Prinzip aus sich verbannt und nur noch das maskuline lebt, schließt er sich selber in einen Männlichkeitspanzer ein«(22). Und weiter: »Indem der veränderte Mann um seine Anima weiß, muß er sie nicht mehr in Frauen suchen, immer unterwegs, um seine Bilder zu finden. Er kann sich vielmehr offen der Frau als Partnerin zuwenden, weil er nun seine eigene Weiblichkeit selber zu leben vermag und sie nicht mehr unbewußt projizieren muß«(23).

Fast versteht es sich von selbst, daß die »wirkliche Autonomie« als von allen negativen Seiten der derzeitigen Männlichkeit befreit imaginiert wird. Ganz dem Muster des bürgerlichen Verwirklichungsdenkens gemäß, sucht die gängige Männlichkeitskritik das Übel nicht im Autonomieideal selbst, sondern bloß in dem, was dessen »inkonsequente« oder »unvollständige« Umsetzung genannt werden könnte; das Subjekt wäre so noch einmal über die Runden gerettet. Der von seiner Einseitigkeit befreite Mann, der sich »um die Kräfte seiner inneren Weiblichkeit (>Anima<) ergänzt«(24), ist jedenfalls ein durch und durch sympathischer Geselle: »Dieser Mann versteht sich nicht mehr als Einzelkämpfer, der sich rücksichtslos gegen andere durchsetzt; vielmehr weiß er um seine grundsätzliche Eingebundenheit in größere Zusammenhänge von Natur und Gesellschaft. Das läßt ihn demütig werden. Von daher zeigt er Respekt und Sorge für die Umwelt; er fühlt sich verantwortlich für sich und die anderen und vermag tragende Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen«(25).

Es ist diese Vision des »neuen Mannes«, die der starken Betonung von »Selbstveränderung« in »männerbewegten« Kreisen zugrundeliegt.(26) Doch obschon die intensive Beschäftigung mit der eigenen psycho-sexuellen Strukturiertheit tatsächlich der traditionellen Männlichkeit entgegenläuft und insofern durchaus positiv ist, so muß schon allein die Verbissenheit, mit der sie zumeist betrieben wird, stutzig machen. Der Verdacht liegt nahe, daß hier die narzißtische Überhöhung der bürgerlichen Subjektivität lediglich aus der Sphäre der Öffentlichkeit in die der Privatheit hineinverlagert wird. Der männliche Größenwahn feiert sich so – kritisch gewendet – nicht mehr in den oberen Etagen der Konzerne, sondern in der therapeutischen Ersatz-Intimität der Selbsterfahrungsgruppe. Weltverändernden Großprojekten hat der reflektierte Mann abgeschworen, nur um sich selbst zu einem einzigen lebenslänglichen, großen Projekt umzudefinieren. Nichts ist ihm offenbar so sehr in Fleisch und Blut übergegangen als der Glaube an die unendliche Kraft des eigenen Ichs. In seinem Drang, die Subjektautonomie doch noch zu retten, schlägt er einen halsbrecherischen Salto mortale, der ihn noch in der Selbstkritik wieder auf sich selbst zurückwirft. Nolens volens bekommt die Männlichkeitskritik so eine affirmative Schlagseite, denn die Phantasien von »individueller Ganzheitlicheit« implizieren auch, daß die bürgerliche Geschlechterpolarität strukturell unaufhebbar ist. Teils verschämt zurückhaltend, teils offensiv definieren daher auch die meisten Autoren die warenförmig konstituierten Geschlechtscharaktere zu quasi-ontologischen »weiblichen« und »männlichen Prinzipien« um, die nicht aufgehoben, sondern nur innerhalb der männlichen und weiblichen Individuen überbrückt werden können. Ziel der »Selbstfindung« ist es gewissermaßen, die Mischungsverhältnisse der beiden »Prinzipien« in den Einzelnen zu korrigieren, indem sich die Männer ihre »weiblichen« und die Frauen ihre »männlichen Anteile« stärker als bisher aneignen.(27)

Die rationalistische Strukturiertheit des männlich-bürgerlichen Subjekts läßt sich aber nicht im abstrakten Ich selbst aufheben, denn sie macht sein innerstes Wesen aus. Mit Descartes’: »Ich denke, also bin Ich« ist das erste und letzte Wort über das bürgerlich-männliche Subjekt gesprochen. Nur in dieser Abgrenzung als rationales Wesen gegenüber dem, was ihm als Natürlichkeit und Triebhaftigkeit erscheint, ist das Ich als Ich lebensfähig. Über die bloße Existenz kann es sich nicht definieren, ohne jede Kontur und damit jeglichen Halt in sich selbst zu verlieren. Wo es die rationalistische Selbstdefinition nicht mehr erträgt, da ist das abstrakte Ich bereits in die entscheidende Krise geraten. Die männlich-weibliche Molekularstruktur der bürgerlichen Gesellschaft macht, immanent betrachtet, durchaus ihren Sinn, denn sie entlastet die Einzelnen, indem sie die widersprüchlich-komplementären Anforderungen auf zwei Schultern verteilt. Kein Mensch kann einerseits den Ansprüchen des allgegenwärtigen Selbstbehauptungskampfes gerecht werden und andererseits die dafür notwendige Ellbogenmentalität und Panzerung ablegen wie eine Krawatte, sobald er persönliche oder intime Beziehungen eingeht, ohne auf die Dauer an dieser Schizophrenie zu zerbrechen.(28)

Es ist also nicht weiter erstaunlich, wenn sich viele »männerbewegte« Männer von ihren eigenen Ansprüchen maßlos überfordert fühlen und entweder im Selbstmitleid versinken oder den mehr oder weniger geordneten Rückzug antreten. Auf der Suche nach einer »neuen Männlichkeit« sind sie in den letzten fünf bis sechs Jahren immer stärker zu den ganz stinknormalen »alten« Geschlechtsstereotypen zurückgekehrt. Für diesen sich verstärkenden Trend steht insbesondere das unsägliche Buch des US-Amerikaners Robert Bly, Eisenhans, das sich nicht nur zum internationalen Bestseller entwickelte, sondern auch die ideologische Grundlage für die sogenannte »Wilde-Mann-Bewegung« lieferte. Im Kern beschränkt sich Blys ganze Weisheit darauf, der erbärmlichen Realität moderner Männlichkeit das klassische Idealbild des in sich ruhenden, selbstbewußten und starken Mannes entgegenzuhalten. Alles Negative der heutigen Männer resultiert für ihn daraus, daß sie von ihren »archaischen«, »wilden« Seiten getrennt worden seien und daher nur als verkrüppelte Wesen existierten. Propagierte die »Männerbewegung« noch die Fiktion einer individuellen männlich-weiblichen »Ganzheit«, so möchte Bly den »ganzen Mann« wiederherstellen, der gelernt hat, den »Wilden Mann« in sich anzunehmen und in seine Persönlichkeit zu integrieren. »Wenn ein Mann unserer Tage tief in seine Psyche blickt, sieht er vielleicht, wenn die Bedingungen günstig sind, unter dem Wasser seiner Seele, in einem Bezirk, wo schon lange niemand mehr hingekommen ist, einen uralten , haarigen Mann liegen. […] Mit diesem Wilden Mann Kontakt aufzunehmen, ist ein Schritt, den der Mann der achtziger und neunziger Jahre noch vor sich hat«(29). Der so zu sich gekommene Mann ist selbstredend kein schlechter Mensch: »Die Wildheit, oder Un-Nettigkeit, die in dem Bild vom Wilden Mann mitenthalten ist, ist nicht zu verwechseln mit der Macho-Energie, die den Männern schon zur Genüge vetraut ist. Im Gegenteil, die Energie des Wilden Mannes befähigt zu kraftvollem Handeln, das nicht brutal, sondern entschlossen ist«(30). Daß Bly selbst nicht einmal zu merken scheint, wie sehr er mit den abgeschmacktesten Klischees operiert, macht die Sache nur noch schlimmer, denn es deutet darauf hin, welche quasi-naturhafte Schwerkraft die geschlechtskonstituierte gesellschaftliche Basisstruktur immer noch besitzt. Natürlich wird auch der Neo-Maskulinismus(31) das präfeministische Macho-Paradies nicht restaurieren können, doch gerade, daß es kein Zurück mehr gibt, macht diese Strömung potentiell gefährlich. Sie ordnet sich ein in den neuen Kult der Gewalt, wie er in den rechten Exzessen seinen Höhepunkt findet.

5. Die Aufhebung des männlichen Subjekts

Nun geht es mir, wie bereits gesagt, nicht darum, Ansätze zur Selbstreflexion auf die eigene psycho-sexuelle Identität (oder Identitätskrise) abstrakt gegen eine Umwälzung der »gesellschaftlichen Strukturen« auszuspielen. Wenn die Subjektform selbst konstitutiver Bestandteil dieser Strukturen ist, dann muß deren Veränderung auch durch die Menschen hindurchgehen. Doch kritische Selbstreflexion darf nicht mit der Illusion einer abstrakten »Selbstfindung« verwechselt werden; denn das endlose Kreisen um den eigenen Bauchnabel und das isolierte »An-sich-selbst-arbeiten« ist keine Kritik am männlichen Autonomiewahn, sondern bloß dessen krisenhafte Reproduktion, und kann daher auch jederzeit wieder im Kult der alten-neuen »Männlichkeit« münden.

Die bereits geleistete Männlichkeitskritik darf nicht zurückgenommen, sondern muß im besten Sinne des Wortes radikalisiert (radix = Wurzel) werden. »Männlichkeit« läßt sich nicht in der Emulsion mit der ihrerseits nicht minder beschränkten, weil komplementären, »Weiblichkeit« aufheben, denn dies wäre bloß die mann-weibliche Verdoppelung der Obsoletheit in einer Person. Es gilt vielmehr, den Kern der Männlichkeit, die Subjektform anzugreifen. Mit dieser ist strukturell gesetzt, daß dem Einzelnen buchstäblich alles, seien es die anderen Menschen, der gesellschaftliche Zusammenhang oder die natürliche Lebensumgebung, ja selbst noch der eigene Körper, als Objekt seiner selbst erscheint, als äußere Gegenständlichkeit, die er behandelt und über die er instrumentell verfügt.

Eine in diesem Sinne verstandene Männlichkeitskritik könnte sich notwendigerweise nicht mit bloß individueller Selbstveränderung begnügen, sondern müßte auf die Aufhebung der warenförmig konstituierten gesellschaftlichen Subjekt-Objekt-Struktur abzielen. Dies mag in den Ohren des unmittelbarkeitsfixierten Alltagsverstandes »unrealistisch« klingen. Doch wieso sollte es eigentlich »realistischer« sein, sich krampfhaft an eine gesellschaftliche Form zu klammern, die längst in die Phase der Selbstdestruktion eingetreten ist? Wo der Leidensdruck an der Unlebbarkeit der geschlechtlichen Zwangsidentitäten von Tag zu Tag wächst und alle immanenten Lösungsversuche sich als untauglich erweisen, da könnte eine konsequente Kritik an der zunehmend verrückt werdenden bürgerlichen Subjektform durchaus in breite Resonanz finden. Daher gilt es jetzt, offensiv in den gesellschaftlichen Diskurs einzugreifen und die katastrophischen Erscheinungsformen der in die Krise geratenen modernen Männlichkeit auf ihren Kern zurückzuführen, um auf diese Weise eine Perspektive jenseits der Dichotomie von Männlichkeit und Weiblichkeit, von Subjekt und Objekt überhaupt erst einmal denkbar zu machen. Das impliziert auch und vor allem eine konsequente öffentliche Frontstellung gegen den um sich greifenden Neo-Maskulinismus innerhalb und außerhalb dessen, was sich als »Männerbewegung« begreift.

Die Aufhebung der bürgerlich-männlichen Subjektform kann nur ein gesamtgesellschaftlicher Prozeß sein, der mit der (freilich unerläßlichen) Aufhebung der fetischistischen Herrschaft des Werts keinesfalls abgeschlossen sein dürfte. In diesem wahrscheinlich über viele Jahrzehnte sich hinziehenden Prozeß werden individuelle Selbstveränderung und gesellschaftliche Strukturumwälzung nicht äußerlich nebeneinander herlaufen oder gar gegeneinander ausgespielt werden können, sondern müssen sich miteinander verschränken. Erst indem die Menschen beginnen, sich selbstreflexiv auf ihren eigenen sozialen Zusammenhang zu beziehen und diesen gemeinschaftlich bewußt zu gestalten, können sie aufhören, sich als lauter scheinautonome und miteinander konkurriende »Drübersteher-Ichs« zu begreifen. Dies wäre alles andere als die Rücknahme der von der bürgerlichen Gesellschaft in negativer Form entwickelten Individualität; die Besonderheit der Einzelnen würde sich vielmehr erst darin richtig entfalten können, daß sie sich nicht ständig in der zwanghaften gegenseitigen Abgrenzung und der Behauptung psycho-sexueller Zwangsidentitäten beweisen müßten.

Fußnoten

1) Demele: Abstraktes Denken …, a.a.O., S. 139; Hervorheb. N.T.

2) nach Marcel Mauss: Die Gabe, Frankfurt/M. 1990 [1950], S. 90.

3) Ich will und kann hier nicht die Auseinandersetzung führen, inwiefern sich fremde Kulturen überhaupt in den uns geläufigen Begrifflichkeiten verstehen und beschreiben lassen. Mir geht es nur darum, einen Kontrast zu der uns zur »zweiten Natur« gewordenen abstrakten Ich-Identität aufzumachen.

4) nach Mauss: Die Gabe, a.a.O., S. 53; Hervorheb. N.T.

5) Dies ist – nebenbei bemerkt – ein deutlicher Hinweis darauf, daß der Begriff der »Arbeit« in solchen traditionalen Gesellschaften keinen Sinn macht. Denn so, wie die Menschen sich dort nicht als Einzelwesen begreifen, ebensowenig können auch die verschiedenen Tätigkeiten isoliert als solche gedacht und schon gar nicht im Zeitmaß quantifiziert werden (wie wäre das »Wirken der Geister« zu »bewerten«?). Damit ein Ding in der fetischistischen Form des »Arbeitsprodukts« oder der »Ware« erscheinen kann, muß ihm zunächst einmal eine bestimmte eingrenzbare Leistung und Anstrengung zugerechnet werden. Voraussetzung dafür ist eine versachlichte Sichtweise, die das »Selbst« und seine »Umwelt« analytisch zergliedert. Dem »kollektividentitären Bewußtsein« ist eine solche Sichtweise fremd.

6) Mauss: Die Gabe, a.a.O., S. 109 f.

7) Bekanntlich hinterließen auch die am Bau der großen Kathedralen beteiligten Künstler des europäischen Mittelalters kaum jemals einen Hinweis auf ihre persönliche Identität. Erst mit dem Beginn der Neuzeit wurde es üblich, Kunstwerke zu signieren, und es begann der Kult um die großen »Künstlerpersönlichkeiten«.

8) Ich möchte wohlgemerkt nicht den Schluß nahelegen, die Tlingit, Neukaledonier etc. wären sich ihres eigenen gesellschaftlich-kulturellen Konstitutionszusammenhangs bewußt. Sie würden die Frage danach wahrscheinlich überhaupt nicht verstehen, eben weil sie jenen Widerspruch zwischen abstrakter Ich-Identität und realer Vergesellschafung nicht kennen, wie er für die bürgerliche Gesellschaft charakteristisch ist. Dieser Widerspruch ist übrigens zugleich der Motor für die unglaubliche Entwicklungs- und Durchsetzungsdynamik der warenförmigen Gesellschaft, weil er die Individuen beständig in Bewegung hält.

9) Gerade darin, daß sie sich selbst universell setzt, beweist die bürgerlich-männliche Subjektivität allerdings, daß sie dem aus ihrer Warte »primitiven« Bewußtsein keinesfalls so überlegen ist, wie sie glaubt.

10) Bei Licht betrachtet ist dies durch und durch absurd, denn in der Sinneswelt kann es so etwas wie qualitätslose Quantität überhaupt nicht geben; und dennoch ist der Wert in höchstem Maße realitätsstrukturierend. Wir haben es offensichtlich mit einer fetischistischen Realabsurdität zu tun.

11) Alfred Sohn-Rethel: Geistige und körperliche Arbeit, Frankfurt/M. 1973; Rudolf Wolfgang Müller: Geld und Geist, Frankfurt/New York 1977

12) Vgl. dazu auch Krisis 12, insbesondere den Aufsatz von Roswitha Scholz: Der Wert ist der Mann.

13) Ein gutes Beispiel hierfür ist die peruanische Guerilla-Organisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad). Diese wird oft als Trägerin eines rückwärtsgewandten indianisch-bäuerlichen Fundamentalismus gesehen. Doch obwohl sie ideologisch auf bestimmte indianische Traditionen rekurriert, ist sie keinesfalls aus autochthonen Strukturen hervorgegangen. Entstanden ist sie vielmehr aus einer politischen Sekte an der Universität der Andenstadt Ayacucho (der mittlerweile inhaftierte Gründer und Führer der Sekte, Abimael Guzmán, war dort Philosophieprofessor), und ihr Parteikonzept und -programm erhebt den Anspruch »strenger Wissenschaftlichkeit«. Der Peruaner Carlos Ivan Degregori nennt den Sendero das »>kälteste< marxistische Projekt, das in den 60ern und 70ern in Peru entstand« (ILA – Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika, Bonn, 2/92, S. 18). Er fügt hinzu: »Wenn er messianische oder religiöse Züge annnahm, dann nicht aufgrund indianischer Traditionen, sondern aufgrund dessen, was man ein Übermaß an Vernunft (!) nennen könnte. Sie sind die letzten Kinder der Aufklärung, die 200 Jahre später und isoliert in den Anden aus Wissenschaft Religion machten. Bei dem Grad von Leidenschaft, den der Leuchtende Pfad entwickelt und entfesselt hat, erscheint es merkwürdig, ihn als hyperrationale (!) Bewegung zu definieren, zumindest, was die Führung angeht. Aber für die Spitze von Sendero sollte der Satz von Pascal, >Das Herz hat eine Leidenschaft, von der der Verstand nichts weiß<, umgekehrt werden zu >Die Vernunft hat Leidenschaften, von denen das Herz nichts weiß<« (ebd.; Hervorheb. N.T.). Wie heißt es doch in offiziellen Dokumenten des Sendero: »Die Ideologie des Proletariats ist wissenschaftlich« und »allmächtig, weil sie wahr ist« (zit. nach ebd.).

14) Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß die »männerbewegte« Männlichkeitskritik sich insgesamt in starkem Maße auf Erkenntnisse der feministischen Theorie stützt und selbst nur wenig originäre Beiträge hervorgebracht hat.

15) Walter Hollstein: Nicht Herrscher, aber kräftig, Reinbek 1988, S. 49; Hervorheb. im Original.

16) So auch Hollstein: Nicht Herrscher …, a.a.O., S. 114 – 122.

17) Eine geradezu komische Spekulation stellt Klaus Theweleit in seinem ansonsten in vieler Hinsicht sehr guten Buch Männerphantasien an. Er erwägt dort, das patriarchale Verhältnis könnte simultan mit dem Übergang vom Affen zum Menschen enstanden sein, und zwar bedingt durch eine angebliche Verschiebung der Sexualorgane und der damit einhergehenden Veränderung des Geschlechtsaktes (vgl. Klaus Theweleit: Männerphantasien 1, Frankfurt/M. 1986, S. 365 ff.). Sándor Ferenczi vermutet gar, die symbolische Gleichsetzung der Mutter mit dem Meer, wie sie in einigen Kulturen üblich ist, stamme aus einer Zeit, in der es noch keine Landlebewesen gab, also 1 bis 2 Milliarden Jahre vor der Entstehung des Menschen (vgl. ebd. S. 368).

18) Hollstein: Nicht Herrscher …, a.a.O., S. 49 f.; Hervorheb. N.T.

19) Vgl. dazu insbesondere den Aufsatz von Robert Kurz in diesem Band.

20) Hans-Joachim Lenz: Männerbewegung – eine politische Bewegung?, Vortrag auf der Fachtagung »Politische Weiterbildung zwischen Gesellschafts- und Subjektorientierung« in der Universität Bremen, 24.9. – 26.9.1992, Manuskript S. 18 f.

21) Georg Simmel: Weibliche Kultur, in Philosophische Kultur, Berlin 1986 [1911], S. 246; Hervorheb. N.T.

22) Hollstein: Nicht Herrscher …, a.a.O., S. 86; Hervorheb. im Original.

23) Hollstein: Nicht Herrscher …, a.a.O., S. 240; Hervorheb. N.T.

24) ebd.

25) ebd.

26) Teilweise werden ergänzend dazu auch institutionelle Veränderungen innerhalb des bestehenden gesellschaftlichen Gefüges gefordert, wie z.B. Förderung von Teilzeitarbeit, Quotenregelung etc. So sehr diese Forderungen unter kurzfristig pragmatischen Gesichtspunkten berechtigt sein mögen, so wenig reichen sie jedoch an das grundsätzliche Problem der bürgerlichen Subjektstruktur heran.

27) Helmut Barz, ein an C.G.Jung orientierter Psychoanalytiker, drückt dies folgendermaßen aus: Nachdem er die ganze alte Palette »weiblicher Eigenschaften« aufgezählt hat, als da wären, »Abwarten-Können und Geschehen-Lassen, Wärme und Anpassungsfähigkeit, Fruchtbarkeit und rhythmisch gegliedertes Leben, aber auch Passivität, Wahnsinn (sic!), Abgrund und Tod« usw. usf., fährt er fort: »Diese Qualitäten des weiblichen Prinzips, die dem Bewußten des Mannes zwar erfahrbar, aber doch fremd sind, machen das eigentliche Wesen seiner Anima aus, das heißt, sie sind in seinem Unbewußtsein lebendig und bilden dort die andere, nämlich weibliche Seite seiner Natur« (Helmut Barz: Männersache, Stutttgart/Zürich 1984, S. 47; Hervorheb. N.T.). Im gleichen Sinne äußert sich auch Hollstein: Nicht Herrscher …, a.a.O., S. 83 – 85.

28) Auch wenn ich hier hauptsächlich von Männern spreche, sind es doch, aufs Ganze gesehen, weit mehr noch Frauen, die mit dem unlösbaren Problem zu kämpfen haben, die Widersprüchlichkeiten der Geschlechterdichotomie in ihrer Person zu vereinbaren. Dies erklärt sich daraus, daß sie sich überhaupt erst einmal den Subjektstatus erkämpfen mußten. Die Männer können sich dagegen immer noch leichter in die Burgruine ihrer traditionellen Geschlechtsidentität zurückziehen.

29) Robert Bly: Eisenhans, München 1993, S. 20 f.

30) ebd., S. 24. Worin dieses »kraftvolle Handeln« bestehen kann, plaudert Bly später auf grotesk dümmliche Art und Weise aus. Nachdem er ausgeführt hat, »daß der Krieger bei Männern ein fester Bestandteil ist«, also zu ihrem Wesen dazugehört, fährt er fort: »Wenn ein Krieger … im Dienst eines Wahren Königs – das heißt einer transzendenten Sache – steht, dann fühlt er sich gut, und aus seinem Körper wird ein hart arbeitender Diener, von dem er verlangt, daß er Kälte, Hitze, Schmerz, Wunden, Narben, Hunger, wenig Schlaf, Strapazen aller Art erträgt« (ebd. S. 212 f.).

31) Eine noch offenere und (was fast schon eine Leistung genannt werden muß) noch primitivere Variante des Neo-Maskulinismus stellen die Bücher von Joachim Bürger (z.B. Mann, wie bist Du gut, München 1990) dar. Insgesamt handelt es sich dabei um ein expandierendes Marktsegment.