Die USA sind zum Epizentrum des rechten Autoritarismus geworden. In rasantem Tempo wickelt die Trump-Regierung nicht nur die liberale Demokratie ab, sondern zerstört auch die gesellschaftliche Ordnung, die dem Aufstieg der USA zur Weltmacht zugrunde lag.
In unserer dreiteiligen Vortragsreihe untersuchen wir die ideengeschichtlichen und politisch-ökonomischen Ursachen dieser Entwicklung und stellen die Frage, wie sie mit der Krise des kapitalistischen Weltsystems zusammenhängt.
Online über Zoom: https://us02web.zoom.us/j/88034334279?pwd=Sdscorp9YGdgHugubvpii6yMwGqyik.1
Mittwoch 19. November, 19:00 Uhr
Das Evangelium des Privateigentums. Wie die ideologische DNA der USA den rechten Diskurs prägt
Julian Bierwirth
Mittwoch 26. November, 19:00 Uhr
Der Gesamtkapitalist dreht durch. Selbstzerstörerische Tendenzen rechtslibertärer Politik in den USA
Minh Schredle
Mittwoch 3. Dezember, 19:00 Uhr
Der etwas andere Globalismus des Donald Trump
Ernst Lohoff
Das Evangelium des Privateigentums. Wie die ideologische DNA der USA den rechten Diskurs prägt
Vortrag und Diskussion mit Julian Bierwirth
Der American Dream, das Streben nach Glück, gilt zurecht als kultureller Motor der US-amerikanischen Gesellschaft. Doch diese Idee ist nicht nur eine säkulare, politisch-philosophische Vision. Von Beginn an trägt sie auch die Züge eines religiösen Dogmas, nämlich die Überzeugung, dass Eigentum und individuelle Freiheit nicht nur Menschenrechte, sondern von Gott geschützte Gaben sind.
Auf diese Weise können bestimmte Varianten eines heilsgeschichtlich verstandenen Christentums bis heute im politischen Raum der USA Sinn, Legitimität und Orientierung stiften. Gleichzeitig lassen sich dieselben Inhalte stets auch säkular deuten, also ohne direkten Bezug auf Religion, dafür in Gestalt einer nationalen Erzählung von Freiheit, Aufstieg und Wohlstand.
Wer jedoch legitimerweise Teil dieser Erzählung ist, steht seit jeher im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Ursprünglich galt dies nur für weiße, protestantische Männer. Andere Gruppen, wie Frauen, Afroamerikaner:innen sowie katholische oder nicht-christliche Minderheiten, mussten sich ihre Teilhabe erst hart erkämpfen. Rechtlich ist ihre Integration heute weitgehend gelungen, kulturell und moralisch bleibt sie jedoch umstritten.
Die damit einhergehende Möglichkeit, religiöse oder ethnische Zugehörigkeit je nach Bedarf als Abgrenzungsmerkmal zu nutzen, war immer schon ein prägendes Merkmal der US-amerikanischen Rechten. Selbst wenn formal eine Politik im Namen aller Amerikaner:innen betrieben wurde, galten ihr bestimmte Gruppen nur bedingt als dazugehörig. Mittlerweile propagieren Teile des rechten Spektrums jedoch wieder ganz offen die Ideologie der weißen Vorherrschaft und eine Politik des rassistischen Ausschlusses.
In dem Vortrag werden die ideengeschichtlichen Linien nachgezeichnet, auf die sich die autoritären, rechten Strömungen in den USA beziehen.
Der Gesamtkapitalist dreht durch. Selbstzerstörerische Tendenzen rechtslibertärer Politik in den USA
Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle
In den USA hat eine staatsfeindliche Milliardärsclique den Regierungsapparat übernommen und treibt eine atemberaubende Deregulierungsoffensive voran. Neben ordinär-kleptokratischen Gesetzen zur Selbstbereicherung geraten – wie im 2023 von der Heritage Foundation veröffentlichten Strategiepapier Project 2025 skizziert – nicht nur demokratische Checks and Balances sowie Umweltschutzauflagen unter die Räder. Der Staat entledigt sich zusehends auch seiner bescheidenen Reste sozialer Fürsorgefunktionen und betreibt eine halsbrecherische Gesundheitspolitik, die den wirtschaftlichen Verwertungsinteressen von „Humankapital“ zuwiderläuft.
Diese Praxis steht im Widerspruch zur klassischen marxistischen Staatstheorie: Engels zufolge ist der Staat als ideeller Gesamtkapitalist „die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußeren Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten.“ Mit Blick auf die Regierungstätigkeit in den USA ist jedoch fraglich, ob ein volkswirtschaftlicher Gesamtnutzen als übergeordnetes Ziel verfolgt wird. Vielmehr scheint die zweite Amtszeit von Donald Trump die verbleibende Reproduktionsfähigkeit der traditionellen Industrie aktiv zu beeinträchtigen, indem die „allgemeinen äußeren Bedingungen“ eher bekämpft als geschützt werden.
Der Vortrag versucht zu zeigen, dass eine seit Langem schwelende Krise der Staatlichkeit mit einer radikalisierten libertären Ideologie beantwortet wird, deren Fluchtpunkt ein enormes Zerstörungswerk ist.
Der etwas andere Globalismus des Donald Trump
Vortrag und Diskussion mit Ernst Lohoff
Die liberale Demokratie steckt schon lange in der Krise. Mit Trumps zweiter Amtszeit scheint dieser Prozess jedoch einen Kipppunkt erreicht zu haben. Gerade die älteste Demokratie der Welt und Führungsmacht des Westens setzt Grundprinzipien der liberalen Demokratie wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit außer Kraft. Gleichzeitig kündigen die USA das Bündnis mit Europa auf. Damit ist der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene „Westen“ Geschichte.
Bei der Einordnung dieser dramatischen Entwicklung orientieren sich die meisten linken und liberalen Beobachter an historischen Konstellationen aus der Vergangenheit. Sie sprechen von Faschismus und von einer Wiederkehr des Isolationismus bzw. des Imperialismus. Wie die Parole „Make America great again“ bereits verrät, beschwört der Trumpismus die Vergangenheit herauf und bedient sich aus der ideologiegeschichtlichen Mottenkiste. Allerdings steckt in der alten Verpackung ein ganz neuer Inhalt.
Der historische Faschismus stärkte die Rolle des Staates, und die Beschwörung der „Volksgemeinschaft“ ging mit dem Ausbau der Daseinsvorsorge für deren Angehörige einher. Das Trump-Regime hingegen rückt dem Staat mit der Kettensäge zu Leibe und treibt die soziale Polarisierung auf die Spitze. Marx träumte einst von der Rücknahme des Staates in die Gesellschaft. In den USA wird dies gerade vollzogen – allerdings in der perversen Form der Rücknahme des Staates in das Privateigentum der Tech-Konzerne.
Zwar wettert die MAGA-Bewegung gegen den Globalismus, doch damit legitimiert sie eine Politik, die mit einer Entflechtung der Weltwirtschaft nichts zu tun hat. Vielmehr mutieren die USA vom Hegemon zum Erpresser, der das Weltkapital für kurzfristige partikulare Vorteile nachhaltig schädigt. Die US-Regierung strebt eine Weltwirtschaft an, in der die Globalisierung für die US-Finanzmärkte und den von US-Konzernen dominierten Informationssektor weiterläuft, nicht aber für die US-Industrie. Dieses Projekt ist zum Scheitern verurteilt, wird die Welt aber verändern. Die Krise des kapitalistischen Weltsystems erhält dadurch eine neue Dimension. Während die Politik nach dem letzten großen Finanzmarktcrash noch Krisenverwaltung betrieb, wird sie nun selbst zur Kraft, die den Krisenprozess beschleunigt.

