Von Minh Schredle
Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/31 vom 31.07.2025
Das Taxigewerbe ist strikt reguliert, Uber & Co. dagegen kaum. Einzelne Städte haben versucht, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, scheiterten damit jedoch vor Gericht. Nun versucht es Heidelberg erneut.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass klassische Taxiunternehmen und Vermittlungsportale wie Uber oder Bolt dieselbe Dienstleistung anbieten: Gegen Bezahlung werden Fahrgäste abgeholt und von einem Fahrer zu einem Zielort befördert. Die deutsche Rechtsordnung macht daraus allerdings zwei grundverschiedene Dinge, mit weitreichenden Konsequenzen.
Taxis gelten nach dem Personenbeförderungsgesetz ebenso wie Bus und Bahn als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), was mit einer strikten Regulierung einhergeht. Die Preise sind in Tarifordnungen genau festgelegt. Um eine Zulassung zu erhalten, müssen Taxiunternehmen rund um die Uhr Fahrten anbieten. Außerdem gilt innerhalb eines bestimmten Gebiets eine Beförderungspflicht: Eine Fahrt darf nicht abgelehnt werden, weil eine Strecke zum Beispiel zu kurz und damit wenig lukrativ ist.
Uber & Co. müssen sich mit diesen lästigen Auflagen nicht herumschlagen. Denn ihr Geschäftsmodell in Deutschland ist – rechtlich gesehen – bloß die Vermittlung eines Mietwagens inklusive Fahrers. Sie dürfen sich die profitabelsten Fahrten herauspicken, andere ablehnen und ihre Preise selbst festlegen. In der Praxis bedeutet das, dass sie die Taxikonkurrenz problemlos unterbieten können.
Das bekommt die Taxibranche inzwischen deutlich zu spüren. Der Mobilitätsforscher Andreas Knie erklärte kürzlich im Deutschlandfunk, dass die Zahl der Taxis in den meisten deutschen Städten deutlich zurückgegangen sei. Immer mehr Unternehmen würden ihre Lizenz zurückgeben. Das Einkommen der übriggebliebenen Fahrer schrumpfe.
Anfang Juli gab es deshalb bundesweit Proteste des Taxigewerbes. In Städten wie Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, Bremen und Köln demonstrierte die Branche mit Autokorsos gegen unfaire Wettbewerbsbedingungen. Allein in Berlin beteiligten sich mehrere Hundert Fahrzeuge. „Es kann nicht sein, dass wir als anständiges Taxigewerbe reglementierte Tarife haben und Uber, Bolt und Co. machen können, was sie wollen“, wird Patrick Meinhardt, Hauptgeschäftsführer des Taxi- und Mietwagenverbands Deutschland, vom ND zitiert. Er forderte daher einen bundesweiten Mindesttarif für Mietwagen.
Auch für den Verkehr mit Mietwagen können Kommunen Mindestpreise festlegen. Das sieht das Personenbeförderungsgesetz vor. In der Praxis gestaltete sich das bisher jedoch sehr kompliziert. Weil entsprechende Regeln Geschäftsmodelle behindern und damit Marktzugänge einschränken könnten, ist nämlich nicht allein die nationale Gesetzgebung zu berücksichtigen, sondern auch die der EU.
So hatte etwa die Region Barcelona versucht, das lokale Taxigewerbe gegen Uber & Co. zu schützen, indem die Lizenzvergabe an Mietwagendienste eingeschränkt wird. Das scheiterte jedoch vor dem Europäischen Gerichtshof. In dem Urteil von 2023 wird zunächst ausgeführt, dass nicht nur die Interessen eines einzelnen Mitgliedsstaats betroffen seien, sondern die der gesamten Union – denn es seien ja potentiell auch Anbieter aus anderen Ländern betroffen, wenn sie in Barcelona entsprechende Dienstleistungen anbieten wollen. Das in EU-Verträgen festgelegte Prinzip der Niederlassungsfreiheit verbiete jedoch Maßnahmen, welche die Ausübung dieser Freiheit „unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen“. Eine zahlenmäßige Beschränkung für Uber-Wagen ging dem EuGH schon zu weit.
Auch andere Regulierungsversuche scheiterten vor Gericht. Die Stadt Leipzig versuchte 2021, Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen mit Fahrer festzulegen. Dadurch sollten „Dumpingangebote von Mietwagenunternehmen ausgeschlossen und eine Kannibalisierung anderer Verkehrsformen verhindert werden“.
In diesem Fall hatte jedoch das Verwaltungsgericht Leipzig Einwände. In der seit Januar 2025 vorliegenden Urteilsbegründung werden behördliche Mindestpreise zwar als grundsätzlich zulässig eingestuft, in diesem Fall seien sie allerdings unverhältnismäßig hoch gewesen, da sie oberhalb des Taxitarifs gelegen hätten. Die Stadt Leipzig erließ daraufhin im März 2025 eine neue Allgemeinverfügung mit niedrigeren Mindestpreisen – zog sie im Mai 2025 jedoch ohne Begründung zurück. Das Branchenportal „Taxi-Times” berichtete, es habe aus „gut unterrichteten Leipziger Kreisen erfahren“, dass die Gründe rein formal gewesen seien. Eine Formulierung in der Verfügung sei unklar gewesen. Man rechne damit, dass sie bald wieder in einer neuen Version in Kraft treten werde.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags wies darauf hin, dass der EuGH bei solchen Maßnahmen ausführliche Nachweise verlangt. So müsse zum Beispiel nachgewiesen werden, „inwieweit die Mietwagenunternehmen bei einer freien Preissetzung die Marktanteile des Taxensektors derart schmälern würden, dass dadurch die ausreichende Verkehrsversorgung im ÖPNV gefährdet“ wäre. „Reine Plausibilitätsvermutungen“ reichten nicht aus, es brauche belastbare Studien.
Die waren aber lange Zeit nicht vorhanden. Erst kürzlich hat die Stadt Heidelberg eine entsprechende Untersuchung vorgelegt und basierend auf den Erkenntnissen einen neuen Anlauf genommen: Ab 1. August tritt dort eine Verfügung mit einem Mindestbeförderungsentgelt für Mietwagen in Kraft. Demnach dürfen Uber-Preise künftig maximal 7,5 Prozent unter den Taxientgelten liegen.
In der Universitätsstadt war deutlich zu beobachten gewesen, wie sich eine fehlende Regulierung auswirkt. „Das Portal Taxi Times” zog im März Bilanz: „Aktuell gibt es in Heidelberg 187 Mietwagen, die überwiegend über die Uber-App vermittelt werden. Dieser Zahl stehen 162 Taxikonzessionen in der Stadt gegenüber.“ Ein zentraler Streitpunkt seien „die Beförderungsentgelte: Die Fahrpreise von Uber liegen derzeit meist um die 35 Prozent unter dem Taxitarif.“
Uber und Co. waren natürlich nicht erfreut über die Einführung der Mindestpreise. Thomas Mohnke, der Vorsitzende des Branchenverbands der Mietwagenverleiher, sagte: „Wir lehnen die Heidelberger Mindestpreislegung entschieden ab.“ Sie seien „europarechtlich klar unzulässig“. Die „Heidelberg Mietwagenunternehmen“ würden rechtliche Schritte einleiten.
Der Präsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen, Herwig Kollar, lobte dagegen die Heidelberger Regelung als vorbildlich und empfiehlt sie zur Nachahmung. Entsprechende Vorhaben werden in München, Berlin und Hannover zumindest schon diskutiert. Gut möglich, dass die Verfügung aus Heidelberg mit ihrer evidenzbasierten Argumentation und dem eher moderaten Eingriff in die Preisgestaltung erstmals juristisch Bestand haben könnte. Dann könnten weitere Städte dem Beispiel folgen.
Ebenso ist allerdings vorstellbar, dass der schleppende Regulierungsprozess schon bald durch technische Neuerungen überholt wird. Als die nächste dunkle Wolke über dem Taxigewerbe könnte sich die Mietwagenvermittlung ohne Fahrer herausstellen.
Die großen Autokonzerne und IT-Unternehmen wie Google und Amazon liefern sich ein erbittertes Wettrennen darum, selbstfahrende Autos auf den Markt zu bringen. Vorne liegt derzeit das Google-Schwesterunternehmen Waymo, das eigenen Angaben zufolge bereits mit über 1 500 Autos mehr als 250 000 Taxifahrten pro Woche anbietet – ohne menschliche Fahrer. In Deutschland sind vollständig autonome Autos noch nicht zugelassen. In einigen US-amerikanischen Städten kann man jedoch bereits Waymo-Fahrten ganz normal über die Uber-App buchen.