Von Peter Samol
Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/21 vom 22.05.2025
Ford plant, am Standort Köln bis 2027 rund 2 900 Stellen abzubauen. Die Beschäftigten reagierten mit dem ersten von der Gewerkschaft genehmigten Streik in der Werksgeschichte.
Produktion, Entwicklung, Verwaltung sowie das Ersatzteilzentrum – überall wurde am Mittwoch vergangener Woche im Kölner Ford-Werk die Arbeit niedergelegt. Das führte wiederum zu Ausfällen oder erheblichen Verzögerungen an anderen Ford-Standorten. Köln steht im Zentrum der europäischen Ford-Produktion. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Benjamin Gruschka, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, der Streiktag habe das Unternehmen drei bis fünf Millionen Euro gekostet.
Als erster regulärer Streik in der Werksgeschichte wurde die Arbeitsniederlegung in der »Tagesschau« und vielen anderen Medien bezeichnet. Im August des Jahres 1973 hatte es nämlich einen »wilden« – also nicht gewerkschaftlich organisierten – Streik gegeben. Vor allem türkische Arbeiter hatten damals ohne Unterstützung der IG Metall die Arbeit niedergelegt und das Werk besetzt, nachdem 300 von ihnen entlassen worden waren.
Außerdem wehrten sie sich dagegen, dass sie in sogenannte Leichtlohngruppen eingestuft wurden, in denen schlechtere Arbeitsbedingungen mit niedrigerer Entlohnung einhergingen. Ihr Protest blieb damals ergebnislos, weder Betriebsrat noch Gewerkschaft unterstützten sie. Im Gegenteil: Unter tätiger Mithilfe des Betriebsrats räumte seinerzeit die Polizei die Fabrik, nahm zahlreiche Streikende fest und schob mehrere von ihnen als sogenannte Rädelsführer ab. Bild titelte damals in rassistischer Manier: »Deutsche Arbeiter kämpfen Ford frei«.
Zurück in die Gegenwart: Vergangene Woche fand nun erstmals in der Geschichte des Kölner Ford-Werks ein offizieller Streik statt. Denn die Geschäftsführung hatte im November 2024 angekündigt, von den derzeit 11.500 Stellen in Köln bis 2027 etwa 2.900 zu streichen, also rund ein Viertel. 2018 waren noch 20.000 Menschen in Köln beschäftigt gewesen. In einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat hatte sich das Management Anfang 2023 dazu verpflichtet, bis 2032 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Die Ankündigung von November ist daher eindeutig ein Wortbruch. Auch das dürfte zur Streikbereitschaft beigetragen haben.
Bei einer Urabstimmung stimmten 93,5 Prozent der Beschäftigten für den ersten regulären Streik der fast 100jährigen Firmengeschichte des deutschen Ford-Tochterunternehmens. Die IG Metall fordert den Erhalt möglichst vieler Stellen sowie hohe Abfindungen für Beschäftigte, die freiwillig gehen oder deren Arbeitsplätze an andere Firmen ausgelagert werden.
Geringe Fertigungstiefe bei Ford
Grund dafür, schon wieder einen Stellenabbau anzustreben, ist eine gescheiterte Geschäftsstrategie des Konzerns. 2021 hatte der Konzern knapp zwei Milliarden Euro in das »Ford Cologne Electrification Center« gesteckt und produzierte fortan zwei Elektroautomodelle, den Ford Capri und den Ford Explorer; gleichzeitig wurden viele alte Modelle eingestellt. Doch Ford hat sich zu spät und zu halbherzig der Elektromobilität gewidmet.
Faktisch sind die beiden Elektromodelle keine eigenen Entwicklungen, denn bis heute werden entscheidende Bauteile bei Volkswagen eingekauft. Technisch haben sie Ähnlichkeiten mit dem VW ID.4 und dem VW ID.5. Die entsprechend geringe Fertigungstiefe bei Ford bedeutet wenig eigenen Gewinn und macht das Unternehmen eher zu einer Art Zwischenhändler, der die Endmontage übernimmt.
Zudem bleiben die Verkaufszahlen der beiden Modelle weit hinter den Erwartungen zurück. Ein Grund dafür ist, dass die staatliche Förderung für den Kauf von Elektroautos Ende 2023 eingestellt wurde. Hinzu kommt allerdings, dass die Konkurrenz sehr viel günstiger produziert. Vor allem chinesische Anbieter »drängen auf den Markt und erhöhen den Wettbewerbsdruck deutlich«, sagte Stefan Bratzel, der Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Die Folge: Nach Behördenzahlen stammten 2024 nur noch 3,5 Prozent der neu zugelassenen Autos in Deutschland von Ford, zwei Jahre zuvor waren es noch fünf Prozent gewesen.
Bei der IG Metall schließt man mittlerweile nicht einmal mehr eine Pleite des deutschen Ford-Tochterunternehmens aus und fordert für diesen Fall eine tariflich vereinbarte Absicherung für die Beschäftigten. In der Ford-Konzernzentrale in Dearborn bei Detroit hat man die Patronatserklärung für die deutsche Tochterfirma gekündigt. Das ist eine Art Bürgschaft – ohne sie ist der Weg in die Insolvenz offen. Zwar gab es zugleich noch einmal eine Kapitalerhöhung um mehrere Milliarden US-Dollar, aber die kann man auch als Summe auffassen, mit der sich die US-Zentrale aus der Verantwortung kauft.
Was für Ford immer noch gut läuft, ist das Nutzfahrzeuggeschäft. Vor allem der Kleintransporter Ford Transit erfreut sich ansehnlicher Verkaufszahlen. Die Co-Vorsitzende der Linkspartei, Ines Schwerdtner, schlug daher vor, das Kölner Werk auf Nutzfahrzeuge umzustellen und dort fortan Busse, Straßenbahnen und dergleichen zu produzieren. Der Bund, so Schwerdtner, könne dabei Unterstützung leisten.