14.08.2025 

Jenseits des Wirtschaftskriegs. Das Weiße Haus will Brasilien mit Zöllen politisch erpressen

Von Marcos Barreira

Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/32 vom 07.08.2025

Die Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump gegen Brasilien verhängt hat, sind politisch motiviert und sollen Druck auf Regierung und Justiz des Landes ausüben, das Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro wegen Putschversuchs einzustellen. Zur Popularität der Bolsonaristen in Brasilien trägt das nicht bei.

Rio de Janeiro. Unter den Ländern, gegen die der US-Präsident Donald Trump nach Ende der Frist für den Abschluss eines Handelsabkommens am 30. Juli per Dekret Strafzölle verhängt hat, muss Brasilien den höchsten Zollsatz hinnehmen: Bis zu 50 Prozent betragen die Zölle auf brasilianische Produkte seit Mittwoch. Die Verfügung, die die Regierung Trump erlassen hat, sieht demnach ein zusätzlichen Zollsatz von 40 Prozent auf den bereits seit April geltenden Basiszollsatz von zehn Prozent vor. Am stärksten betroffen sind Kaffee und Rindfleisch, die zu den meistverkauften brasilianischen Produkten in den USA gehören.

Da jedoch viele Produkte von den neuen Zöllen ausgenommenen sind, wurde die Nachricht mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen. Von den Zusatzzöllen befreit sind einige der wichtigsten Exportgüter Brasiliens: Kraftstoffe, Erze, Zellulose und Orangensaft. Dass auch Flugzeuge von den Zusatzzöllen ausgenommen bleiben, ließ die Aktienkurs des heimischen Flugzeugherstellers Embraer um mehr als zehn Prozent steigen. Insgesamt umfasst die Liste mit Ausnahmen fast 700 Produkte, was etwa 45 Prozent des gesamten Exports in die USA ausmacht.

Das scheint weniger auf Verhandlungserfolge der brasilianischen Regierung als auf die Bedarfe der US-amerikanischen Wirtschaft zurückzugehen. Der Fall Orangensaft ist beispielhaft: Die USA sind aufgrund einer schwachen Ernte im eigenen Land auf den Import aus Brasilien angewiesen. Im Durchschnitt fällt die Erhöhung der Zölle im Vergleich zu denen, die gegen China oder Kanada verhängt wurden, sogar geringer aus.

Viele Analysten gehen davon aus, dass die neuen Zölle auf Rindfleisch eine Umleitung der Produkte auf den Binnenmarkt bewirken werden, was dort zu einem Preisverfall führen könnte. Damit kann die Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wohl leben, denn die Inflation bei Lebensmitteln und insbesondere bei Fleisch ist ein zentrales Thema ihrer Kritiker. Zwölf Prozent des gesamten Rindfleischexporte Brasiliens gehen in die USA, der Exportumsatz belief sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf insgesamt 790 Millionen US-Dollar. Das wird nur von Kaffee übertroffen, der im selben Zeitraum einen Umsatz von 1,16 Milliarden Dollar erzielte. Die Fleischpreise in den USA sind bereits in die Höhe geschnellt, und eine Verteuerung des Angebots aufgrund der neuen Zölle dürfte diese Situation noch verschärfen.

Die brasilianische Regierung lehnt vorerst jegliche Vergeltungsmaßnahmen ab. Stattdessen bemüht sie sich, die Liste der zollfreien Artikel zu erweitern. Der Grund dafür ist die Einschätzung, dass proportionale Gegenzölle die brasilianische Produktionskette beschädigen und die jetzige Zollerhöhung durch USA, die weniger dramatisch als erwartet ausfällt, gefährden könnte.

Lobbyarbeit für Bolsonaro

Die brasilianische Regierung hat aber auch ein politisches Motiv zur Beruhigung der Wirtschaftsstreitigkeiten. Denn Trumps Brief an den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva Anfang Juli rechtfertigte nicht nur die Erhöhung der Zölle mit falschen Argumenten: Brasilien zählt, entgegen Trumps Behauptung, zu den wenigen Ländern, in die die USA mehr exportieren, als sie von dort importieren.

Der US-Präsident griff darin auch den Obersten Gerichtshof Brasiliens scharf an und bezeichnete das dortige Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro, dem vorgeworfen wird, 2022 einen Putschversuch unternommen zu haben, als eine »internationale Schande«. Zudem wurden mit Zustimmung von Außenminister Marco Rubio Sanktionen gegen den die Ermittlungen leitenden Bundesrichter Alexandre de Moraes nach dem harten Magnitsky-Gesetz verhängt, mit dem die USA Personen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen die Einreise in die USA verweigern und ihr Vermögen einfrieren können.

Diese Entscheidung ist vor allem als Erfolg der Lobbyarbeit von Mitgliedern der Partei Bolsonaros, des Partido Liberal, in den USA zu werten, die zum Teil gute Verbindungen auch zum inneren Kreis des Weißen Hauses haben. Angeführt werden sie von Eduardo Bolsonaro, einem Sohn des ehemaligen Präsidenten, der mittlerweile in Texas lebt und mit aller Kraft versucht, eine Amnestie für seinen Vater zu erzwingen.

Lulas Popularität stieg wieder an

Der Text der Verfügung vom 7. Juli, mit der die Zölle ab August eingeführt wurden, greift erneut den Obersten Gerichtshof und Moraes an und spricht von »Menschenrechtsverletzungen, die den Rechtsstaat in Brasilien untergraben haben«, was von der Regierung Lula da Silvas als direkter Angriff auf die brasilianische Souveränität gesehen wird.

Trotz der drohenden wirtschaftlichen Verschlechterungen stieg Lulas Popularität, die bis dahin im Sinken begriffen war, im vergangenen Monat wieder an. Nicht nur unter den Anhängern der Regierung, sondern auch bei weiten Teilen der konservativen Opposition stößt das Vorgehen Bolsonaros und seines Sohns, die brasilianische Wirtschaft aufs Spiel zu setzen, um die eigene Haut zu retten, auf große Ablehnung.

Die Radikalisierung der Verbündeten von Bolsonaro verleiht Lula da Silva den Nimbus des Wahrers des »nationalen Interesses«. Die sich sonst gerne als die wahren Patrioten gerierenden Bolsonaristen müssen nun ihrer Wählerschaft erklären, dass Trumps Zölle gegen Brasilien gut sind. Was offenbar beim harten Kern nicht aussichtslos ist, denn am Sonntag demonstrierten Zehntausende Bolsonaro-Anhänger in mehreren Städten Brasiliens und feierten Trumps Zölle. Ob allerdings auch die Fleisch- und Kaffeeexporteure davon zu überzeugen sind, dass ihre Gewinne geopfert werden müssen, um Bolsonaro vor dem Gefängnis zu bewahren, ist fraglich.