Von Ernst Lohoff
Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/29 vom 17.07.2025
Das neue Haushaltsgesetz in den USA sieht milliardenschwere Ausgaben für Trumps rassistische Einwanderungspolitik sowie enorme Kürzungen bei Sozialausgaben vor. Außerdem werden die Staatsschulden voraussichtlich in einem für die US-Wirtschaft gefährlichen Ausmaß steigen.
Die umfangreichen Steuersenkungen, mit denen US-Präsident Donald Trump sich und seine Milliardärskollegen in seiner ersten Amtszeit beglückt hatte, wären Ende des Jahres ausgelaufen. Das von Trump auf den kuriosen Namen »big beautiful bill« getaufte Steuer- und Ausgabengesetz, das am 4. Juli in Kraft trat, schreibt diese jetzt dauerhaft fest und ergänzt sie gleich um ein paar Nachbesserungen. So fällt Erbschaftssteuer ab 2026 erst ab einem Vermögen von 30 Millionen US-Dollar pro Ehepaar an.
Kein Wunder, dass selbst die nicht unbedingt für radikale Sozialkritik bekannte Zeit das neue Bundesgesetz als »Gesetz für die Reichsten der Reichen« bezeichnet. Sandra Navidi, die Leiterin des in New York ansässigen Finanzberatungsunternehmens Beyond Global, konstatierte in einem Interview mit dem Sender N-TV die »größte Umverteilung nach oben in der Geschichte der Menschheit«.
Die wenigsten Trump-Wähler gehören zu den Gewinnern dieser Umverteilung. Der US-Präsident, ein Robin Hood der etwas anderen Art, versteht es indes, das monströse Projekt der Anhängerschaft seiner Maga-Bewegung halbwegs schmackhaft zu machen. Zum einen enthält das Gesetz ein paar Bonbons für »einfache Leute«: Wie schon im Wahlkampf versprochen, müssen Überstunden und Trinkgelder bis zum Ende von Trumps Amtszeit nicht mehr versteuert werden.
Außerdem richtet der Staat für Neugeborene ein nach dem Präsidenten benanntes Aktiendepot im Wert von 1.000 Dollar ein, über das diese ab dem Alter von 18 teilweise und ab 30 vollständig verfügen dürfen. Glaubt man dem republikanischen Senator Ted Cruz, »wird das jedes Kind zum Kapitalisten machen«. Wie sich fast von allein versteht, darf ausschließlich in US-amerikanische Aktien investiert werden – auf dass nur die heimischen Finanzmärkte profitieren.
Zum anderen wird auch die Ausgrenzungswut der Maga-Anhänger auf ganzer Linie bedient. Nach dem Motto »nicht kleckern, sondern klotzen« sieht das Gesetz umfangreiche Ausgaben für rassistische Verfolgung vor. Allein über 170 Milliarden Dollar fließen in den Bau der Grenzmauer zu Mexiko und verbesserte Überwachungstechnik an den Grenzen. Die Mittel für die Einwanderungsbehörde ICE und ihre Menschenjägertrupps sollen daraus um 75 Milliarden Dollar aufgestockt werden, schließlich gilt es, für die angepeilten 3.000 Deportationen täglich auch genug Personal und Abschiebelagerkapazität zur Verfügung zu haben.
Steuersenkungen und Mehrausgaben
Allein für die neue Einwanderungshaftanstalt »Alligator Alcatraz« inmitten der Sümpfe Floridas mit ihren gefährlichen Reptilien ist knapp eine halbe Milliarde Dollar jährlich eingeplant. Dabei dürfte sie noch zu den kostengünstigeren Einrichtungen gehören, weil dort in der Hauptsache Mutter Natur die Fluchtverhinderung übernimmt. Und auch Militär und Rüstungsindustrie müssen nicht darben. Die jährlichen Verteidigungsausgaben überschreiten erstmals die Grenze von einer Billion Dollar.
Die Regierung Trump peilt aber nicht nur Steuersenkungen und Mehrausgaben an, sie will auch sparen. Zum Trumpismus gehört das Bekenntnis zur Förderung fossiler Energien, und so wird das umfangreiche Investitionsprogramm für erneuerbare Energien abgebrochen, das Teil des Inflation Reduction Act von Trumps Amtsvorgänger Joe Biden war. Fernerhin bedeutet »America first« drastische Streichungen bei der Entwicklungshilfe und bei der Finanzierung internationaler Organisationen. Der mit Abstand wichtigste Posten bei der Gegenfinanzierung der Steuergeschenke ist aber der Kahlschlag bei den Sozialausgaben.
Allein Medicaid, die Gesundheitsversicherung für Geringverdiener, soll mit der Begründung, dort herrschten »Verschwendung, Betrug und Missbrauch«, in den nächsten zehn Jahren auf knapp 800 Milliarden Dollar verzichten. Derzeit verschafft Medicaid noch über 78 Millionen ärmeren Amerikanern einen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Nach Schätzungen des überparteilichen Congressional Budget Office dürften ihn bis 2034 mehr als elf Millionen Menschen verlieren. Erwerbsfähige, die nicht mindestens 80 Stunden im Monat arbeiten oder in Ausbildung sind, fliegen aus dem Medicaid-System und haben darüber hinaus überhaupt keinen Anspruch mehr auf staatliche Sozialleistungen.
Auch das Lebensmittelhilfeprogramm SNAP, aus dem derzeit 42 Millionen arme US-Amerikaner Zuschüsse zum Lebensmittelkauf erhalten, soll über die kommenden zehn Jahre auf 290 Milliarden Dollar an Bundesmitteln verzichten. Die Konsequenzen solcher Einschnitte liegen auf der Hand: »Menschen werden sterben. Zehntausende, vielleicht Jahr für Jahr«, wie der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, in der Debatte um die Zukunft von Medicaid empört feststellte. Dieses Gesetz sei ein »Tatort«.
Das untere Drittel der US-amerikanischen Gesellschaft hätte allen Grund, dagegen Sturm zu laufen. Gemessen an den darin beschlossenen sozialen Ungeheuerlichkeiten fallen die Proteste indes ausgesprochen lau aus. Weit lautstärker ist die Kritik ganz anderer Kreise zu vernehmen. Ökonomen und Finanzmarktexperten warnen wie die Wirtschaftswoche weltweit vor dem »big disaster bill«, weil das Gesetz das ohnehin schon riesige Haushaltsdefizit der USA voraussichtlich noch einmal dramatisch vergrößern wird. Die Furcht geht um, dass die Staatsverschuldung der USA auf einen Punkt zusteuert, an dem die Anleger US-Staatsanleihen und den Dollar meiden werden. Wenn die schon begonnene Fluchtbewegung aus beiden sich weiter beschleunigt, dann droht eine Weltfinanzmarktkrise, die weit größere Ausmaße hätte als die vorige von 2008.
Nach Schätzungen des Congressional Budget Office werden Trumps neuerliche Steuersenkungen in den kommenden zehn Jahren eine zusätzliche Schuldenaufnahme von mindestens 3,3 Billionen Dollar notwendig machen. Dabei sitzen die USA bereits auf einem immer schneller wachsenden Schuldenberg.
Fiskalisches Selbstmordgesetz
2019 betrugen sie noch knapp 23 Billionen Dollar, fünf Jahre später bereits 36 Billionen Dollar und nun kommt auch noch das neue fiskalische Selbstmordgesetz. Das Haushaltsdefizit belief sich 2024 auf 1,8 Billionen Dollar, was 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht; mit dem Trump’schen Gesetz wird das Haushaltsdefizit voraussichtlich auf mindestens neun Prozent des BIP steigen.
Aufgrund dieser Entwicklung rechnet die Forschungsabteilung der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) damit, dass die US-amerikanischen Staatsschulden in den nächsten zehn Jahren von derzeit 120 Prozent des BIP auf 170 steigen könnten. Das ist hoch, wäre aber für sich genommen nicht zwangsläufig krisenträchtig. Japan beispielsweise hat mit 235 Prozent des BIP bereits eine höhere Staatsschuld.
Was die Lage indes bedrohlich macht und nach Ansicht der schweizerischen Handelszeitung einen »Schulden-GAU« in den Bereich des Möglichen rückt, ist die Abhängigkeit von ausländischen Gläubigern. Viele Jahrzehnte galten US-Staatspapiere als der sichere Hafen in Krisenzeiten, inzwischen behandeln die Finanzinvestoren sie aber zusehends als Risikoanlage. Sie finden nur noch bei entsprechenden Zinsaufschlägen Käufer. Die USA müssen derzeit, wenn sie zehnjährige Staatsanleihen auf den Markt bringen, 4,3 Prozent Zinsen berappen, bei griechischen liegt der Zinssatz bei 3,4 und bei deutschen bei 2,7 Prozent. Dementsprechend bilden Zinszahlungen inzwischen mit 1,1 Billionen Dollar den größten Posten des US-Haushalts überhaupt.
Während in Deutschland der Schuldendienst zwei Prozent des Bundeshaushalts ausmacht, sind es in den USA derzeit 13 bis 14 Prozent. Und die Lage dürfte sich noch weiter verschärfen: Allein dieses Jahr werden Staatsanleihen in Höhe von über sieben Billionen Dollar fällig, die noch zu niedrigen Zinssätzen verkauft werden konnten, und müssen durch neue, weit kostspieligere ersetzt werden.
Die Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von ausländischen Geldkapitalzuflüssen ist die Achillesferse der US-Ökonomie, weshalb hier die Hauptgefahr für das Trump’sche System herrührt. Mit ihrer erratischen Wirtschaftspolitik ist die US-Regierung auf dem besten Weg, die Attraktivität des Anlagestandorts USA zu zerstören und den Staat und die Wirtschaft von der Zufuhr von frischem Geldkapital abzuschneiden. Sozialproteste mag die Regierung Trumps von der Nationalgarde niederschlagen lassen können. Die Flucht von privatem Kapital ist mit noch so viel Repression nicht aufzuhalten.