24.07.2025 

Planlose Problemprivatisierung. Familienministerin will, den Anteil von Migrantenkindern an den Schulen deckeln

Von Peter Samol

Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/29 vom 17.07.2025

Bundesfamilienministerin Karin Prien führt Probleme an den Schulen hauptsächlich auf die Familien zurück. Dabei müsste vor allem die seit Jahrzehnten unterfinanzierte Bildungspolitik verbessert werden. Die Steuersenkungen der neuen Bundesregierung lassen dafür aber keine Spielräume.

Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hat beim Grillen über Politik gesprochen. Kürzlich war sie zu Gast in der Sendung »Politikergrillen mit Jan Philipp Burgard« beim Fernsehsender Welt. Während sie dort Fleisch grillte und Dips anrührte, sagte sie, sie halte an Schulen eine Obergrenze von 30 bis 40 Prozent an Kindern mit Migrationshintergrund für »ein denkbares Modell«. Ferner sei es sinnvoll, Verschleierung und Gendern an deutschen Schulen zu verbieten.

Eine Obergrenze für Kinder mit Migrationshintergrund wäre allein schon rechtlich problematisch. Das Grundgesetz enthält in Artikel 3 ein striktes Diskriminierungsverbot. Auch die von Deutschland ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention verbietet die Diskriminierung an Schulen aufgrund von Sprache oder Herkunft. Zudem sind solche Quoten kaum realisierbar. In Städten wie Duisburg, Gelsenkirchen oder Offenbach liegen die Anteile nichtdeutscher Schüler in manchen Stadtteilen bei über 90 Prozent. Dort müsste man also in großem Ausmaß muttersprachliche Kinder einschulen, was kaum durchsetzbar wäre.

Prien räumte zwar ein, dass es auch Probleme mit deutschen Kindern gebe, aber ihr grundlegender Denkfehler bleibt dabei unberührt: nämlich die Ursache der Schulprobleme bei Kindern und Eltern zu suchen statt im chronisch unterfinanzierten Bildungssystem. Ausgerechnet die Herkunft zum Problem zu machen, ist ein durchschaubares rechtspopulistisches Ablenkungsmanöver, um von den echten Ursachen der schulischen Missstände abzulenken.

Experten halten soziale Durchmischung an den Schulen durchaus für wünschenswert. Es ist gut, wenn sich Kinder mit verschiedenen Lebenshintergründen begegnen, damit sie auch andere Perspektiven kennenlernen und Solidarität über die eigene Schicht hinaus üben können. Tatsächlich findet aber eine Entmischung statt, und das bereits in den Grundschulen. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen führen steigende Wohnkosten in den Städten dazu, dass die soziale und räumliche Segregation verschiedener Einkommensschichten immer schärfer wird; zum anderen tragen viele Eltern selbst dazu bei, dass die Schulkinder segregiert werden.

In den meisten Bundesländern gehen Kinder per Gesetz auf die Grundschule, die ihrer Wohnung am nächsten liegt. In Verbindung mit steigenden Wohnkosten führt das dazu, dass bestimmte Stadtviertel nahezu ausschließlich von Wohlhabenden und andere nahezu ausschließlich von Ärmeren bewohnt werden. Das Ergebnis ist eine Segregation der Kinder nach dem Einkommen ihrer Eltern.

Segregation an Schulen

Der Soziologen Robert Vief beobachtet aber auch in Stadtteilen, die stärker durchmischt sind, eine Sortierung der Grundschulkinder nach Elterneinkommen. Vief forscht dazu, wie sich Schulen verändern, wenn sich die soziale Zusammensetzung der Nachbarschaft wandelt. Berlin, so Vief, werde sozial immer durchmischter, das spiegle sich aber nicht an den Schulen wider. Viele wohlhabende Eltern umgehen die Vorgabe der wohnortnahen Grundschule, indem sie Sonderwünsche gerichtlich einklagen oder den Wohnort ihrer Kinder wahrheitswidrig bei Freunden oder Verwandten angeben. So tragen sie zur Segregation an Schulen bei.

Dadurch entwickeln sich Problemschulen, während sich anderswo die Kinder der Bessergestellten ballen. In Berlin weisen die Grundschulen bereits eine genauso hohe Segregation auf wie die weiterführenden Schulen, so der Soziologe Marcel Helbig. Ferner bleiben ambitionierten und zahlungskräftigen Eltern noch die Privatschulen, die nicht an Einzugsgebiete gebunden sind. Derzeit besucht in Berlin jedes zehnte Kind eine Privatschule, 1992 waren es noch halb so viele.

Der eigentliche Grund für die Schulmisere liegt jedoch im frappierenden Ressourcenmangel des Bildungssystems. Gute Schuldbildung braucht einen zuverlässigen Staat, der seine Lehrkräfte gut ausbildet, Schulen instand hält und zeitgemäßes Unterrichtsmaterial bereitstellt. Allein bei den Schulgebäuden hat sich ein Renovierungsstau von 55 Milliarden Euro angehäuft, wie die KfW-Förderbank im Jahr 2024 festgestellt hat. Auch die Lehramtsausbildung ist nicht bedarfsgerecht. Soziale Ungleichheit wird hier kaum thematisiert, wodurch den angehenden Lehrer:innen oft gar nicht bewusst ist, was auf sie zukommt.

Auch bei Integrationskursen wird gespart

Unter der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dürften sich die Probleme der öffentlichen, von den Kommunen getragenen Schulen noch verschärfen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist lediglich von verpflichtenden Sprachtests und Förderung für Vorschulkinder die Rede; diese Aufgaben müssten allerdings die Länder übernehmen.

Viel mehr helfen würden hier kostenlose Kitas und Sprachförderangebote auch für Eltern bei ihrer Ankunft in Deutschland. Aber auch bei den Integrationskursen wird gespart. Da der Bund erhebliche Steuersenkungen für die Unternehmen plant, werden die Mittel für die ohnehin schon klammen Kommunen weiter schwinden, was es ihnen unmöglich machen wird, die Schulen entsprechend auszustatten oder gar das vorschulische Angebot auszubauen.

Bleiben noch die eigenen Projekte der Familienministerin. Das von ihr unter dem Namen »Startchancen-Programm« geplante gemeinsame Bund-Länder-Programm soll Schulen in besonders herausfordernder Lage finanziell stärken.

Mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Volumen von 20 Milliarden Euro ist das aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und bedeutet für die Schulen auch, dass sie aufwendige Bewerbungsprozesse mit ungewissem Ausgang durchlaufen müssen. Zugleich entfallen aufgrund der geplanten Steuersenkungen viele Projekte der Länder. Unterm Strich ist damit weniger Geld für Bildungsprojekte vorhanden als zuvor. Die Misere geht also weiter.