10.10.2025 

Vortragsreihe zu Antifeminismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus

Online über Zoom: https://us02web.zoom.us/j/83181613157?pwd=bnNdjeoZz93Ywyu6aiIlGU3cZyeeKA.1

Mittwoch 29. Oktober, 19:00 Uhr
Incels, Alphas, Bosstransformation: Soldatische Männlichkeit und digitaler Faschismus
Veronika Kracher

Mittwoch 5. November, 19:00 Uhr
Feminismus der dummen Kerls*“. Transfeindlichkeit und die Verteidigung der „Natürlichen Ordnung“
Lara Wenzel

Mittwoch 12. November, 19:00 Uhr
Is Palestine a feminist Issue? Zur Verschränkung von (Queer)-Feminismus und Antisemitismus
Cordula Trunk


Incels, Alphas, Bosstransformation: Soldatische Männlichkeit und digitaler Faschismus
Veronika Kracher

Antifeminismus ist integraler Bestandteil von Rechtsextremismus – und gleichzeitig gesellschaftlich omnipräsent. Da die patriarchale  Vorherrschaft nach wie vor auf der Ausbeutung und Abwertung von Frauen und queeren Menschen basiert, begreifen Ich-schwache Männer  feministische Emanzipation als Angriff nicht nur auf ihre Herrschaft,  sondern auf ihre konkrete Persönlichkeit. Diese gekränkte Männlichkeit  wird momentan vor allem über das Internet aufgefangen und bestätigt. Antifeministische Influencer wie der wegen Menschenhandel angeklagte Andrew Tate und misogyne Hasskampagnen machen Frauenhass als kollektive Unterhaltung salonfähig. Rechtsradikale Parteien Gruppierungen verwenden  gezielt antifeministische und queerfeindliche Inhalte als Radikalisierungs- und  Rekrutierungsinstrument. Sie stellen faschistische Männlichkeitsbilder als Heilsversprechen gegen die Kränkungen und Ohnmacht der Moderne dar: der Feminismus hat dich kastriert, wir machen dich wieder zum Mann! 

Diese Propaganda findet sich jedoch nicht nur bei der radikalen Rechten, sondern bereits bei auf den ersten Blick sich „unpolitisch“ nennenden „Coaches“, die ihren Anhängern ebenfalls die Alpha-Mannwerdung versprechen. Dabei setzen sie auf brutale neoliberale Selbstzurichtung, die Affirmation kapitalistischer Gewalt und ebenfalls den Hass auf alles, was ihnen als „unmännlich“ gilt. Der Übergang zwischen neoliberalen und faschistischen Männlichkeitsvorstellungen erweist sich immer wieder als fließend.

Diese Propaganda von Alpha-Männlichkeit ist in digitalen Räumen omnipräsent und zieht bereits Jugendliche in ihren Bann. Dies ist darin verwurzelt, dass der Hass auf alles weiblich Konnotierte keine Ausnahmeerscheinung innerhalb der herrschenden Verhältnisse sind, sondern grundlegender Bestandteil des patriarchal strukturierten Kapitalismus und der cismännlichen Sozialisation.

In diesem Vortrag zeigt die Autorin Veronika Kracher auf, inwieweit Kapitalismus, Faschismus und Männlichkeit ineinander verwoben sind, und welche Rolle soziale Medien bei der Verbreitung antifeministischer Inhalte spielen, und wieso diese Phänomene nicht als Einzelfälle betrachtet werden dürfen – sondern als strukturelles Problem der Welt, in der wir leben.


Feminismus der dummen Kerls*“. Transfeindlichkeit und die Verteidigung der „Natürlichen Ordnung“
Lara Wenzel

Nationalistische Bewegungen gehen in den letzten Jahren gezielt gegen die Errungenschaften feministischer und queerer Kämpfe vor. Im Namen einer ‚Natürlichen Ordnung‘ greifen sie das Recht auf körperliche Selbstbestimmung an, um eine binäre Geschlechterhierarchie durchzusetzen. Die reaktionäre Bewegung hat einen überraschenden Partner: Gender Critical Feministinnen setzen sich unter dem Deckmantel der Stärkung von Mädchen- und Frauenrechten für eine biologistische und exklusive Vorstellung von Geschlecht ein und arbeiten daran, mit einer transfeindlichen Bedrohungskulisse die Selbstbestimmung von jungen Menschen anzugreifen.

Der Vortrag zeigt anhand theoretischer Bezüge zu Moishe Postone, wie transmisogyner Hass mit antisemitischen Bedrohungsfantasien verwoben ist. Insbesondere durch die Überhöhung von ‚natürlicher‘ Weiblichkeit und Abwertung ‚abstrakter‘ Genderidentität entsteht eine strukturelle Nähe, die sich in Vorstellungen von einer übermächtigen ‚Trans Lobby‘ oder der Sexualisierung von transfemininen Personen, denen eine eindringende Sexualität zugeschrieben wird, niederschlägt. Der Vortrag analysiert, wie insbesondere transfeminine Personen zur Projektionsfläche eines gesellschaftlichen Backlashs werden und wie dafür der vermeintliche Schutz von Kindern zur Legitimation patriarchaler Normen instrumentalisiert wird.


Is Palestine a feminist Issue? Zur Verschränkung von (Queer)-Feminismus und Antisemitismus
Cordula Trunk

Seit dem grausamen Massaker der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober in Israel, mit über 1200 israelischen Todesopfern, sowie dem darauffolgenden Krieg in Gaza mit Zehntausenden toten Palästinenser:innen, ist ein drastischer Anstieg von Rassismus und Antisemitismus zu verzeichnen – auch in feministischen und linken Kreisen. Obwohl der Einsatz von systematischer sexualisierter Gewalt erklärter Teil der Angriffsstrategie der Hamas war und massenhafte Vergewaltigungen und Femi(ni)zide zur Folge hatte, blieb die erwartete (feministische) Solidaritätswelle mit den betroffenen israelischen Frauen und Queers aus.

Selbst UN-Women, eine der größten internationalen feministischen Organisationen, brauchte über zwei Monate, um in einem Statement auf die geschlechtsspezifische Gewalt zu reagieren. Einige feministische Gruppen stellen sogar in Frage, ob die Vergewaltigungen überhaupt stattgefunden hätten. Mehr noch, sie feiern die zutiefst queerfeindliche, antifeministische und antisemitische Hamas als dekoloniale Befreier:in. Doch nicht erst seit dem Massaker am 7.Oktober spaltet die Auseinandersetzung um Antisemitismus, Postkolonialismus und Israel die linke Bewegung. Die mangelnde Bereitschaft, sich mit dem eigenen Antisemitismus auseinanderzusetzen, hat auch in feministischen Kontexten eine lange Tradition.

Der Vortrag beleuchtet, nach einer historischen Einordnung des 7. Oktobers, die Rolle von Social Media, insbesondere das Streamen der sexualisierten Gewalt als moderne Variante der Zurschaustellung von Kriegstrophäen. Anschließend wird gefragt, woher die problematischen Allianzen zwischen Feminist:innen und Islamist:innen kommen und eine Antwort auf drei Ebenen formuliert: individuell, theoretisch und bewegungspolitisch. Der These folgend, dass große Teile des feministischen Mainstreams einem vulgären Postkolonialismus anhängen, werden sowohl Rassismus als auch Antisemitismus als Unterdrückungsideologie in ihren Funktionsweisen erläutert, voneinander abgegrenzt und auf ihre jeweiligen Leerstellen hin befragt. Im Anschluss wird anhand von theoretischen Konzepten wie „intersectionality of struggles“ (Angela Davis) aber auch Aussagen der queeren Ikone Judith Butler auf die Nähe von (mancher) queerfeministischer Theorie und Antisemitismus eingegangen. Abschließend werden bewegungspolitische Entwicklungen in der feministischen und antifaschistischen Szene der letzten Jahre analysiert.